Schattenprinz 02 - Der Prinz der Klingen
auch ein Schatten, vielleicht sogar ein Meister der Bruderschaft. Er hätte mich leicht töten können, wenn er gewollt hätte.«
» Männer, immer geht es bei Euch nur ums Kämpfen und Töten. Rede es ihm aus, Marberic!«
» Er hat es gesagt«, meinte der Mahr und kratzte sich am Nacken.
Ela schüttelte ungehalten den Kopf. » Aber er ist ein Mensch, kein Mahr. Menschen ändern ihre Meinung, wenn man ihnen gut zuredet!«
Sahif blickte wieder auf zu den Ketten, die, ihrer früheren Bedeutung beraubt, nutzlos von der Decke baumelten. » Ich muss gehen. Und zwar alleine. Für dich wäre es viel zu gefährlich.«
» Dann geh doch, aber ich sage dir – du marschierst in dein Unglück!« Und damit stand Ela auf und stapfte aus der weitläufigen Halle, was etwas zu lange dauerte, um als dramatischer Abgang zu zählen.
» Es ist eine dumme Idee«, wiederholte Marberic.
» Hast du eine bessere?«
» Bleib. Hier kann sie dich nicht finden. Und wenn du sicher bist, ist auch der Schlüssel sicher.«
» Kann ich ihn nicht bei Euch lassen, wenn ich gehe? Oder ihr nehmt ihn zurück und versteckt ihn irgendwo anders.«
Der Mahr schüttelte den Kopf. » Du hast ihn. Wir können ihn dir nicht wieder nehmen. Es sei denn, wir töten dich.«
» Verstehe«, murmelte Sahif und fragte sich, ob die Mahre diese Möglichkeit ernsthaft in Betracht zogen.
» Wenn du stirbst, kehrt der Schlüssel zurück, wohin er gehört. Zum Herzog von Atgath«, erklärte der Mahr.
» Shahilas Mann? Weiß sie das?«
Marberic schüttelte den Kopf. » Sie vermutet es, hofft es. Sie weiß vieles, nicht alles.«
» Ihr wisst auf jeden Fall mehr, scheint mir. Woher eigentlich?«, fragte Sahif.
» Die Kammer des Hörens«, meinte Marberic, und ein Lächeln glitt über sein bleiches Gesicht. » Willst du sie sehen?«
Vierter Tag
Shahila saß auf dem kleineren der beiden Throne, die die Halle beherrschten. Belerans Platz war verwaist. Er fühlte sich nicht wohl und hatte sie gebeten, mit Bahut Hamoch alle Angelegenheiten der Stadt zu regeln, als habe sie das nicht ohnehin schon die ganze Zeit getan. Zu Shahilas Bedauern war sein Unwohlsein jedoch nicht auf die Ankunft des magischen Wortes zurückzuführen. Der zukünftige Herzog trauerte um seine Brüder und weigerte sich standhaft, die Würde, die nun einmal auf ihn gekommen war, anzunehmen. Es gab noch einen anderen Grund dafür, dass er sich nicht so gut fühlte, aber von dem ahnte Beleran nichts. Shahila war deshalb nachsichtig und gestand ihm zu, die Krönung erst vorzunehmen, wenn die Schiffe, die im Goldenen Meer nach Gajan und Olan suchten, zurückgekehrt waren. Sie hatte sogar einen Boten nach Felisan gesandt, damit man dort von ihrer tiefen Besorgnis erfuhr. Es waren auch schon Schiffe auf der Suche, aber sie ging fest davon aus, dass sie nicht mehr als ein paar Planken finden würden. Ein tief erschütterter Meister Quent hatte es gesehen, er hatte ihr gesagt, dass das Schiff untergegangen und die Prinzen ertrunken waren, genau wie sie es geplant hatte. Und doch nagten ganz leise Zweifel an ihr: Völlig sicher war Quent in dieser Sache nicht gewesen. Aber sicher war, dass das Schiff nicht in Felisan angekommen war, und das musste doch heißen, dass es gesunken war, oder?
Graf Gidus, der Gesandte des Seebundes, dem Atgath sich vor langer Zeit angeschlossen hatte, war noch in derselben Stunde, in der Herzog Hado gestorben war, aufgebrochen, ja, beinahe geflohen. Inzwischen dürfte er in Felisan sitzen. Er hatte eine Botschaft geschickt, die er noch auf der Straße verfasst haben musste, und darin erklärt, dass der Seebund alles Menschenmögliche unternehmen würde, um die vermissten Erben des Herzogs zu finden. Dabei hatte er in höflichen Worten ausgeführt, dass es Jahre dauern könne, bevor man – für den hoffentlich nicht eintretenden schlimmsten Fall – die Vermissten für tot erklären würde, und bis dahin könne Beleran leider unter keinen Umständen den Thron von Atgath beanspruchen. Shahila lächelte kalt. Natürlich wäre es besser, wenn der Seebund Belerans Rechte anerkennen würde, aber sie war nicht darauf angewiesen. Wenn ihr erst die Macht der reinen Magie zur Verfügung stand, würden diese Krämerseelen schon angekrochen kommen und ihr die Stiefel lecken.
Die Kammer, sie musste sich sehr beherrschen, um nicht den ganzen Tag um diesen geschlossenen Würfel herumzuschleichen. So nah lag diese Macht, nur durch ein paar Steine war sie noch davon getrennt, doch leider
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