Schattenprinz 02 - Der Prinz der Klingen
sprecht Ihr?«, fragte sie unruhig.
Der Magier drehte sich langsam zu ihr um. Seine Augen funkelten böse. » Habe ich dir nicht gesagt, dass ich nicht gestört werden will bei dieser heiklen Befragung, kleiner Schatten?«
» Verzeiht«, rief Jamade und wich schon zurück. » Es wird nicht wieder vorkommen.«
» Sicher nicht«, grollte der Marghul und rief: » Lifara! Nebar!«
Jamade fühlte plötzlich einen heißen Wind, der in ihr Gewand griff. Sie öffnete den Mund, um zu schreien, brachte aber kein Wort heraus. Eine unsichtbare Kraft hob sie an, schleuderte sie quer durch die Halle und hinauf bis fast unter die Decke, wo sie hart gegen die Wand schlug – und hängen blieb. Sie fühlte etwas kalt durch ihre Knochen und Muskeln kriechen, dann wurden die Glieder taub. Sie konnte sich nicht rühren, nicht sprechen und hing, als hätte der Marghul sie festgenagelt, acht Ellen hoch hilflos unter der Decke.
» Ich hatte Geduld mit dir, kleiner Schatten«, sagte der Marghul, » doch hier geht es um Dinge, die zu groß für dich sind. Doch lass den Mut nicht sinken. Vielleicht lasse ich dich an den Geheimnissen, die ich heute erfahre, teilhaben, jetzt, wo du endlich Ruhe gibst. Aber nein, vielleicht bringe ich dich auch hinunter in mein anderes Laboratorium, wo deine Freundin schon auf dich wartet. Dort kannst du mir dann verraten, was du über dieses Geheimnis weißt.«
Ela war hin- und hergerissen zwischen dem Grauen, das sie empfand, wenn sie Leiw anblickte, und der letzten, verzweifelten Hoffnung, die sie nur auf ihn setzen konnte. Sie musste mehrfach ansetzen, bis sie es über sich brachte, ihn noch einmal anzusprechen: » Leiw, ich bin es, Ela Grams. Erinnerst du dich?«
Sie bekam keine Antwort.
» Wir sind gemeinsam durch die Ebene gewandert. Du musst dich erinnern.«
Wieder zeigte der Wächter, der einst Leiw gewesen war, keine Regung.
Aber Ela gab nicht auf. Sie redete und zählte jede kleine Begebenheit, jedes gewechselte Wort auf. » Du hast mich nach meiner Heimat gefragt, und ich habe dir davon erzählt, Leiw. Von Atgath, von meinen Brüdern, von Meister Dorn und von unserem Köhlerhof. Das war auf diesem Erdhügel, an dem wir rasteten. Erinnerst du dich nicht? Unsere Hände haben sich berührt, zufällig. Deine und meine. Leiw, erinnerst du dich nicht?« Sie starrte hinüber in die toten Augen, das graue, ausgemergelte Gesicht, wischte sich die Tränen von den Wangen und verstummte. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass sie wieder weinte.
» Ela«, hauchte eine schwache Stimme.
Sie erstarrte. Hatte er das gesagt, oder hatte sie sich das nur eingebildet? » So ist es, Leiw. Ela. Ela Grams, die deine Hand berührt hat auf dem Grabhügel.«
» Hand«, hauchte die Stimme wieder.
Ela Grams schluckte, weil es so unendlich traurig klang.
» Den Schlüssel, Leiw. Dort an der Wand. Du musst mir den Schlüssel bringen. Du musst mich hier herauslassen.«
Leiw rührte sich nicht. Ela beschwor ihn, aber er blieb stehen, wo er war, und doch hatte sich etwas an seiner Haltung geändert. » Es war ein schöner Augenblick auf diesem Hügel, so friedlich«, sagte Ela. » So weit weg von dem ganzen Tod und Elend, das die Ebene bedeckt. Und das war es dank dir.«
» Tod«, hauchte der weder lebende noch tote Leiw und hob das Kinn ein ganz klein wenig an, und dann, endlich, schaute er dorthin, wo der Schlüssel hing. Aber immer noch bewegte er sich nicht. Also erzählte Ela weiter. Von dem schönen Augenblick, und sie begann sogar auszumalen, wie es sein müsste, später mit ihm auf anderen Hügeln zu sitzen, in friedlicheren Gegenden, und den Abend zu erwarten. Er setzte sich in Bewegung, quälend langsam, aber er bewegte sich. Und Ela erzählte ihm von ihren Träumen, von dem kleinen Hof, auf dem sie einmal wohnen wollte, mit wenigstens sieben Kindern und einem Mann, mit dem sie abends vor der Tür sitzen würde, müde von der gemeinsamen Arbeit. Sie sprach von Sonnenuntergängen und Kaminfeuer, von einer Hochzeit unter Riesenbuchen, von großen, fröhlichen Sommerfesten mit einer immer weiter wachsenden Familie, und wie zu Kindern Enkel kamen und dann Urenkel, und wie schön es wäre, eines Tages auf so ein erfülltes Leben zurückblicken zu können. Sie erzählte es und wusste, dass sie es so niemals haben würde, nicht mit Leiw, den sie nur einen Tag gekannt hatte, und auch nicht mit Sahif, der seine Aina liebte, und wohl auch mit keinem anderen Mann, wenn sie nicht hier herauskam.
Sie hielt den Schlüssel in
Weitere Kostenlose Bücher