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Schattenprinz 02 - Der Prinz der Klingen

Schattenprinz 02 - Der Prinz der Klingen

Titel: Schattenprinz 02 - Der Prinz der Klingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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der Hand. Sie bemerkte es erst gar nicht, so sehr hatte sie sich in ihren Tagträumen verloren. Aber Leiw stand vor dem Käfig, in dem sie eingesperrt war, und starrte ins Nichts. Er schien auf irgendetwas zu lauschen. Ihre Stimme? » Ich danke dir, Leiw, ich danke dir so sehr«, flüsterte sie, schloss mit zitternden Händen ihr Gefängnis auf und schlüpfte hinaus. Sie wollte Leiw umarmen, aber jetzt, aus der Nähe, sah sein Leib noch schrecklicher aus, grau, ohne jedes Leben. Er war nur ein Echo, ein schwacher Rest von dem Mann, der er einmal gewesen war. » Danke«, flüsterte sie leise. » Wie kann ich dir danken?«
    Aber sie erhielt keine Antwort. Sie durchsuchte das Verlies eilig nach Waffen, denn sie konnte sich nicht vorstellen, dass sie ohne Kampf entkommen würde. Dabei versuchte sie, nicht all die halb oder ganz verrotteten Leichen anzusehen, die drohend an den Wänden hingen. Dann stockte ihr der Atem: ihre Tasche! In einer Ecke dieses fürchterlichen Kerkers lag ihre Tasche, und der Inhalt war über einen Tisch ausgebreitet worden. Aber nicht nur die Sachen aus ihrer Tasche lagen darauf – auch Sahifs Sachen waren dort ausgeleert worden. Sein Mantel!
    Der Mantel der Mahre – er lag dort, zusammengeknüllt unter den anderen Sachen. Wer immer die Taschen ausgeleert hatte, er hatte sich keine Zeit genommen, sich den Inhalt näher anzusehen, oder er hatte nicht bemerkt, welchen Schatz er in den Händen hielt. Ela atmete tief durch. Auch ihr Dolch und der von Sahif lagen dort. Sie hatte gesehen, wie Sahif vergeblich gegen diese leblosen und sich doch bewegenden Männer gekämpft hatte. Ihr Instinkt riet ihr einzupacken, was sie brauchte, und dann im Schutz des magischen Mantels zu fliehen. Wer konnte schon wissen, ob Sahif überhaupt noch lebte? Und was war eigentlich mit Aina? Sie starrte auf die Sachen, raffte zusammen, was sie glaubte, brauchen zu können, und hielt inne. Sie konnte die Flucht schaffen. Alles andere wäre Wahnsinn. Sie steckte beide Dolche in ihren Gürtel und warf den Mantel über. Dann schlich sie aus dem Kerker. Leiws untoter Leib stand immer noch an dem Käfig, in dem sie gefangen gewesen war. Sie kämpfte mit sich, aber dann lief sie zurück, nahm ihn in den Arm und bedankte sich noch einmal. Er stöhnte leise, rührte sich aber nicht. Mit Tränen in den Augen schlich sie aus dem Kerker. Dann schloss sie den Mantel und stellte beruhigt fest, dass er sie wirklich noch unsichtbar machte.
    Sie stieg eine lange Treppe hinauf. Sie hatte keine Ahnung, wo sie sich befand, und wo sich Sahif oder Aina befinden konnten, wenn dieses verfluchte Weib überhaupt hier war. Einmal hörte sie Kinderstimmen. Kinder? Hier? Sie ging dem Geräusch nach. Es kam aus einer Küche. Sie hörte Geschirr klappern und sah zwei Menschen, einen Mann und eine Frau, die dort mit dem Reinigen von Töpfen und Pfannen beschäftigt waren. Drei Kinder, keines älter als vielleicht acht, saßen in einer Ecke und unterhielten sich damit, die beiden Dienstboten zu verspotten. Ela fragte sich, wie spät es sein mochte. Nach ihrem Gefühl musste es tiefe Nacht sein. Aber die Kinder schien das nicht zu kümmern und die beiden Bediensteten auch nicht. Sie bewegten sich etwas seltsam, tastend. Ela war so neugierig, dass sie näher heranschlich. Der Mann hielt inne und richtete seine leeren Augen in ihre Richtung. Dann sog er die Luft ein. Die beiden hatten keine Augen mehr! Hastig zog sich Ela zurück. Schon befürchtete sie, dass der Mann Alarm schlagen würde, aber dann wandte er sich wieder seiner Arbeit zu. Ela war sehr froh darüber, dass der Mantel nicht nur unsichtbar, sondern auch unhörbar machte.
    Sie hörte eine Stimme, eine Männerstimme, die von weiter weg zu kommen schien. Sie klang nicht unangenehm, beinahe sympathisch. Ela dachte an das, was die seltsame junge Frau ihr gesagt hatte, über den Herrn des Schlosses, der junge Frauen zu grauenhaften Versuchen missbrauchte. Sie hatte die Ergebnisse dieser Arbeit gesehen. War das seine Stimme? Sie klang so anziehend. Mit wem redete er da im Plauderton? War Sahif vielleicht dort? Es gab nur einen Weg, das herauszufinden. Fast alles in ihr warnte sie davor, auch nur in die Nähe dieses Mannes zu gehen, eines Zauberers, der aus Toten Sklaven machte. Aber sie konnte nicht anders und folgte dem Klang in einen langen, dunklen Gang hinein.
    Shahila stand in der Nähe des Zelts, in dem sie am Abend zusammengesessen hatten, lauschte auf die Geräusche der Nacht und wartete.

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