Schattenprinz 02 - Der Prinz der Klingen
Da unten war das Boot, es trieb langsam hinaus aufs Meer, und der dunkelhäutige Mann saß, gerade noch gut erkennbar, im Heck und schien es zu steuern.
» Aber warum?«
» Er meinte, es sei einfach sicherer. Hier, das soll ich dir von ihm geben«, sagte Gajan. » Du sollst es für ihn aufheben.«
» Dann warten wir hier auf ihn?«
Es klang eher wie eine Feststellung denn wie eine Frage. Gajan schüttelte den Kopf. » Nein, mein Sohn. Wir müssen so schnell wie möglich nach Felisan, und ich habe Kumar gesagt, dass wir dort in den Palast gehen werden. Er meinte, es sei auch nicht sehr schicklich, wenn wir mit ihm gemeinsam dort einträfen, ja, er riet mir sogar, wir sollten ihn gar nicht erst erwähnen.«
» Aber warum?«, fragte Hadogan und starrte die Klinge an, die Gajan ihm anbot.
» Ich weiß es nicht, Hadogan, ich weiß nur, dass er mich darum gebeten hat. Und ich meine, wir sollten seinen Wunsch doch respektieren, oder?«
» Ja, Vater«, sagte Hadogan zögernd.
» Gut, dann lass uns aufbrechen. Es kann nicht mehr weit bis Felisan sein. Du wirst sehen, sie werden es kaum glauben können, dass wir beide noch leben!«
» Wir drei«, berichtigte Hadogan leise.
» Ja, wir drei, natürlich, wir drei. Doch Kumar ist ja zunächst nicht bei uns, das meinte ich. Nun komm.« Prinz Gajan reichte seinem Sohn die Hand, um ihm von dem Felsen herunterzuhelfen, aber Hadogan kletterte ohne seine Hilfe hinab zur Straße, die nach Felisan und dann weiter bis nach Atgath führte.
Jamade holte Sahif und Ela ein, als sie bereits die Stadtmauer erreicht hatten. Sie wechselte die Gestalt, schmierte sich ein wenig Staub und Dreck ins Gesicht, und erst dann zeigte sie sich den beiden. » Sahif, hier bin ich!«, rief sie. Sie lief die Treppe zur Mauerkrone hinauf, würdigte die offenbar völlig überraschte Ela keines Blickes und umarmte Sahif ungestüm und innig.
» Aina«, sagte er schwach.
» Wo kommst du denn jetzt her?«, zischte Ela.
» Da waren seltsame Männer, die mich packten, fortschleppten und in eine dunkle Kammer sperrten. Aber gerade, als ich alle Hoffnung verloren hatte, brach mein Wächter zusammen und starb. Also bin ich geflohen.«
Sahif warf Ela einen zornigen und gleichzeitig enttäuschten Blick zu. » Du sagtest, sie sei vor der Stadt«, flüsterte er.
Das Bauernmädchen zuckte mit den Achseln. » Ich dachte, das wäre sie«, sagte sie, und Jamade konnte das Misstrauen in ihren Augen sehen. » Aber schön, dass sie jetzt da ist, denn allein würde ich dich wohl nie die Stadtmauer hinunterbringen«, stellte Ela Grams fest.
Es war auch zu zweit mühsam, weil Sahif sich kaum auf den Beinen halten, geschweige denn klettern konnte. Sie knoteten aus ihren Mänteln eine Art Seil, an dem die beiden Frauen ihn hinunterließen, bevor sie ihm folgten. Sahif wehrte sich gegen die Bevormundung, für einige Sekunden wurde er ausgesprochen energisch, und Jamade fragte sich besorgt, ob die Wirkung des Trankes, den ihm der Marghul verabreicht hatte, etwa schon nachlassen würde. Aber dann hing er wieder so schlaff im Seil, dass sie beruhigt war.
» Wohin jetzt?«, fragte Ela, als sie wieder den Boden der Ebene unter den Füßen hatten.
» Nach Osten«, stieß Sahif hervor, der sich unter Schmerzen krümmte.
» Was ist dort?«, fragte Ela, die versuchte, ihn zu stützen.
» Die Festung der Schatten. Der Marghul. Er hat es gesagt. Ein Turm, am Meer.«
» Dann nach Osten«, sagte Jamade und griff Sahif unter den Arm. Sie fühlte seinen Puls. Er war schwach. Es konnte nicht mehr lange dauern, aber sie war einverstanden damit, Abstand zwischen sich und die Stadt zu bringen. Der Marghul war tot, aber sie war nicht sicher, dass ihn der Tod wirklich aufhalten konnte, falls er sie verfolgen wollte.
» Hast du nicht gesagt, die Festung der Schatten sei in dieser Stadt?«, fragte Ela.
» So habe ich Sahif damals verstanden«, versicherte sie.
Sie schleppten Sahif über die Ebene, vorbei an Feldern voller Knochen und auch voller Waffen und Rüstungen, in denen sich matt der rote Himmel widerspiegelte.
» Es will hier immer noch nicht Tag werden«, murmelte Ela.
» Weiter«, sagte Jamade schlicht und fing sich einen bösen Blick der Köhlertochter ein. Das war ihr gleich. Vor ihnen stiegen schon die weißen Felsen der Küste auf. Jamade wusste zwar, dass die Schatten ihre alte Festung aufgegeben hatten, aber sie hoffte dennoch, vielleicht ein Boot oder eine andere Fluchtmöglichkeit dort zu finden. Außerdem mussten
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