Schattenprinz 02 - Der Prinz der Klingen
Fischer lag ihm gegenüber im Boot, von der Plane verhüllt, die sonst den großen Kasten mit den Krebsen abdeckte. Und jetzt sah Gajan immerfort die hässlichen Tiere mit ihren spinnenartigen Beinen durcheinander- und übereinanderkrabbeln, wenn er hinüber ins Heck blickte, dorthin, wo sein Sohn bei Kumar saß, sein Sohn, der Angst vor ihm hatte, der sich lieber zu einem Rudersklaven setzte als zu seinem eigenen Vater. Kumar hatte seinen Arm um Hadogan gelegt und sprach mit ihm. Gajan konnte nicht hören, was sie sagten, aber er konnte es sich vorstellen. Sie redeten über ihn, über seine Fehler, seine Verbrechen. Hatte er nicht all das für seinen Sohn getan, hatte er nicht den Tod von Kiet und von diesem Fischer auf sein Gewissen geladen, um ihn, seinen einzigen noch lebenden Sohn, zu retten? Aber er konnte wohl keine Dankbarkeit erwarten, nicht, wenn Kumar mit seinem Sohn sprach, ihn gegen den eigenen Vater aufhetzte. Darauf lief es doch letztlich hinaus. Kumar traute ihm auch nicht mehr, das hatte er deutlich genug gesagt, und jetzt versuchte er, sich bei Hadogan lieb Kind zu machen. Sie verbündeten sich gegen ihn. Gajan wandte sich ab; es war besser, in die grauen Wellen zu starren, als mit anzusehen, wie dieser Rudersklave aus dem Süden ihm die Liebe seines Sohnes abspenstig machte. Es gab doch nichts, was er dagegen tun konnte. Kumar hatte das Messer wieder an sich genommen, nachdem der Fischer gestorben war, und Gajan schalt sich für seine Dummheit.
Der Rudersklave rief etwas, aber erst beim zweiten Ruf reagierte Prinz Gajan und drehte sich um.
» Das Licht, dort vorne«, rief Kumar. » Das ist der Spiegelturm von Felisan.«
Gajan sah es jetzt auch. Es war wie ein niedrig stehender Stern am Horizont, doch war es viel heller.
» Wir sollten hier an Land gehen, Prinz!«, rief Kumar.
Gajan nickte. Sie konnten natürlich nicht mit einem Toten an Bord in den Hafen einlaufen. Aber noch war dieser ein gutes Stück entfernt. Ob Kumar Hintergedanken hegte? Die Gegend rund um Felisan war karg, und die Vorberge reichten bis an die Küste heran. Hier gab es keine Dörfer, überhaupt nur wenig Menschen. Gajan hatte dem Rudersklaven die Freiheit versprochen. Was, wenn Kumar nicht mehr auf das Versprechen vertraute? Was, wenn er ihn einfach umbrachte und dann Hadogan, sein einziger Erbe, das Versprechen seines Vaters einlöste? Gajan schüttelte den Kopf über diese Gedanken. Er war unendlich müde.
Das Ufer rückte schnell näher. Sie waren in der Nacht ohne jedes Licht gesegelt, und sie waren anderen Lichtern auf dem Wasser ausgewichen. Sie hatten einen guten Grund, er lag hinter der Kiste mit den Krebsen. Gajan hatte vorgeschlagen, ihn über Bord zu werfen, aber Kumar meinte, sie seien zu dicht am Ufer, und die Flut könne den Leichnam anspülen. Es klang überzeugend. Aber hatte der Sklave vielleicht noch einen anderen Gedanken? Das Boot hielt auf eine felsige Bucht zu. Wie lange hatten sie auf diesen Augenblick gewartet, hatten sie festes Land herbeigesehnt? Und jetzt? Jetzt fürchtete Gajan das Festland plötzlich, fürchtete es wegen der Dinge, die er getan hatte, die ihn verfolgten, weil er jedes Mal, wenn er Hadogan ins Gesicht sah, den stummen Vorwurf erkannte.
» Haltet Ausschau nach einer geeigneten Stelle, Prinz«, rief Kumar.
Gajan hatte keine Ahnung, woran er eine solche Stelle erkennen sollte, aber dann sah er eine kleine Bucht mit einem flacheren, grauen Strand und wies in diese Richtung. Kumar folgte dem Wink, und schon bald darauf scheuerte der Rumpf des Fischerbootes über den steinigen Grund.
» Ans Ufer, junger Prinz«, rief Kumar und warf ihm ein Seil zu. » Sucht etwas, woran Ihr das Boot vertäuen könnt.«
Hadogan sprang ins kalte Wasser und watete zum Ufer, und auch Gajan stieg über Bord.
» Sollten wir nicht überlegen, wie wir diesen Toten hier loswerden, Kumar?«, fragte Gajan leise.
» Deswegen habe ich Euren Sohn vorgeschickt, denn er muss das nicht hören, Prinz. Es herrscht Ebbe. Ich schlage vor, wir schicken das Boot zurück auf See und schlagen vorher ein Loch in den Rumpf, aber nicht zu groß, es soll langsam sinken. Den Alten verstauen wir bei seinen Krebsen in der Kiste und legen ihm diesen Ankerstein auf die Brust.«
Gajan hatte den an ein Tau gebundenen schweren Stein vorher gesehen, aber den Sinn nicht begriffen. Jetzt verstand er. » Ich will nicht, dass mein Sohn das sieht.«
» Junger Prinz«, rief Kumar daraufhin Hadogan zu, der schon ein Stück die Felsen
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