Schattenprinz 02 - Der Prinz der Klingen
Hieben. Plötzlich hielt er inne, weil ihn eine beinahe unsichtbare Hand von hinten am Hals gepackt hatte. Er erstarrte, stöhnte auf und sackte zu Boden. Erst jetzt sah Ela die geisterhafte Gestalt Sahifs. Er hielt seine Klinge in der Hand. » Komm schon!«, herrschte er sie an.
Sie folgte ihm aus dem Feuer, kletterte hinter ihm so schnell wie möglich den Hang hinauf, während zu ihrer Rechten mit großem Getöse eine Lawine niederging und die Straße unter sich begrub. Sie hatten die Anhöhe fast erreicht, als plötzlich der Mann mit dem Stab vor ihnen auftauchte. Er hob den gefiederten Stock und zeigte mit der Linken vage in ihre Richtung.
» Ich rieche dich, Schatten!«, zischte er. Dann rammte er seinen langen Stab in den Boden und rief: » Gebannt seist du und gelähmt, bis ich mit meiner Klinge deine Seele von deinem Leib trenne.«
Ela spürte ein leises Kribbeln in den Gliedern, aber Sahif war wie erstarrt stehen geblieben. Sie kroch zu ihm.
» Was ist?«, fragte sie flüsternd. » Anuq, bitte, er kommt näher!«
Aber Sahif rührte sich nicht.
» Ich wittere deine Angst, Schatten«, sagte der Damater ruhig. Er zog ein mächtiges Messer, schon beinahe ein Schwert, aus einer reich verzierten Scheide. » Diese Waffe wurde eigens geschmiedet, um deinesgleichen das Leben zu nehmen.« Er bewegte sich bedächtig auf Sahif zu, wandte sich mal ein wenig zu weit nach links, dann nach rechts, also war er sich noch nicht ganz sicher, wo sich sein Opfer befand. » Ich finde dich, Schatten. Dein Tod wird meinen Ruhm unermesslich mehren, mehr als der Tod von hundert gewöhnlichen Feinden.«
Unten riefen die Bergkrieger einander etwas zu. Sie schienen das lodernde Feuer umstellt zu haben. Ela wollte nur fort, aber immer noch stand Sahif wie erstarrt, nein, er war buchstäblich erstarrt. Der Damater war ein Zauberer! Ela begriff mit Entsetzen, dass es an ihr war, etwas zu tun.
Sie schlich zur Seite und hob einen großen Stein auf. Der Damater fuhr herum. Hatte er sie bemerkt? Seine Gesichtszüge wirkten im flackernden Licht des großen Feuers verunsichert, und er starrte auf die Stelle, wo eben noch der Stein gelegen hatte, der nun in Elas unsichtbaren Händen verborgen lag. Dann schüttelte er den Kopf. » Du bist schlau und gewitzt, Schatten, ja, noch jetzt schaffst du es, dich vor meinen Augen verborgen zu halten und Zauber zu wirken. Aber ich finde dich.« Er streckte seinen Arm aus, tastete ins Nichts, aber immer näher an Sahif heran. Endlich berührte er ihn. » Ah. Hier bist du. Sei mir gegrüßt, Sterbender.« Er schwang die Klinge.
Ela sprang, holte mit dem Stein aus und schmetterte ihn auf den Hinterkopf des Zauberers. Er wankte, aber er fiel nicht. Er drehte sich taumelnd um, suchte mit der Linken nach der erschrocken stehen gebliebenen Ela, erwischte sie am Kragen und hob zitternd sein Messer. Ela riss sich los, der Zauberer stolperte, ging in die Knie und fiel dann endlich zu Boden.
Sahif stöhnte auf und schüttelte sich.
» Bist du verletzt?«, rief Ela besorgt.
Sahif antwortete nicht, sondern zog sein Messer, beugte sich über den gefallenen Zauberer, packte ihn am Schopf und schnitt ihm mit einer schnellen Bewegung die Kehle durch. Ein Schwall von dunklem Blut ergoss sich ins Gras. Ela sah Sahifs Gesicht. Selbst der Zaubermantel konnte die brennende Wut in seinen Augen nicht verbergen.
Schon beim Essen geriet Aina ins Plaudern und Jamade ins Schwitzen, denn sie hatte sich zwar eine ihrer Meinung nach überzeugende Geschichte ausgedacht, aber Aina hatte tausend Fragen, auf die sie keine Antwort vorbereitet hatte. Was sie über Kaufleute und ihre Familien wusste, hatte sie in Malgant gelernt, denn dort hatte sie einige Monate als einfache Magd für einen angesehenen Händler arbeiten müssen. Die Oberen ihrer Bruderschaft vertraten die Ansicht, es könne nicht schaden, wenn ein junger Schatten vor seinem ersten Auftrag lernte, wie die Welt der Opfer beschaffen war, wie gewöhnliche Menschen lebten und sich plagen mussten, um Geld zu verdienen – eine Meinung, die Jamade seinerzeit nicht geteilt hatte. Gemessen an der harten Zeit in der Festung der Schatten, in der die Schüler jede Nacht und jeden Tag mit bösen Überraschungen rechnen mussten, war die Zeit in Malgant zuerst eine Art Erholung gewesen, dann aber abstumpfend langweilig geworden.
Der Kaufmann war eher angesehen als erfolgreich gewesen, trank zu viel und zankte oft mit seiner Frau, die das Geld schneller ausgab, als er es
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