Schattenprinz 02 - Der Prinz der Klingen
über diese Ungerechtigkeit, streckte eine Hand aus, streichelte Aina sanft an der Wange und schenkte ihr einen warmen und verständnisvollen Blick. » Bitte, ich möchte, dass du mich als deine Schwester betrachtest, Aina, und ich schwöre dir, dass nichts von dem, was ich höre, je diesen Raum verlassen wird.«
Ainas ohnehin schwacher Widerstand schwand vollends, und sie begann zu erzählen – von dem jungen Mann, der so düster und stark, aber unter dem harten Äußeren so verletzlich und so empfänglich für die Liebe und ihre Freuden gewesen war. » Ich glaube, am Anfang war es bei ihm nur Neugier, dass er sich mit mir einließ, denn er hat nie gelernt zu lieben. Doch ich zeigte ihm, was es bedeutet, wie es sein kann, wenn mit zwei Körpern auch zwei Seelen verschmelzen«, erzählte sie.
Jamade lauschte. Diese Freuden, von denen ihre neue Freundin sprach, waren ihr fremd. Sie hatte Männer gehabt, schon weil sie wissen wollte, warum das Leben der Menschen so sehr um die Frage kreiste, ob man den einen fand, den das Herz angeblich suchte. Verstanden hatte sie es nicht. Jetzt, da Aina in warmen Worten über den Mann sprach, der doch ein Schattenbruder war, bekam sie eine schwache Ahnung, was es heißen konnte, geliebt zu werden und wieder zu lieben. Sie hörte zu, und es entging ihr nicht, dass Aina ihr nicht alles erzählte, sie nannte den Namen ihres Geliebten nicht, auch erwähnte sie nicht, dass sie von Prinzessin Shahila den Auftrag bekommen hatte, ihn zu verführen. Da Jamade wissen wollte, wie aufrichtig die Bekenntnisse waren, die aus Aina heraussprudelten, fragte sie ganz unverblümt: » Aber wie hast du diesen erstaunlichen Mann kennengelernt, Schwester?«
Aina geriet nur kurz ins Stocken. » Länger als ihn kenne ich seine Schwester, ja, man kann sagen, dass sie mir eine Freundin ist, und sie war es, die mich ermutigte, mit ihm zu reden und diesen harten Panzer, der ihn umgibt wie eine eiserne Rüstung, zu prüfen. Und siehe, ich fand ihn leichter zu durchdringen, als ich es erwartet hatte.«
Ermutigt? Bezahlt träfe es wohl eher, dachte Jamade, die sich mahnte, sich nicht zu sehr auf diese Frau einzulassen, die ihr gerade ihr Herz ausschüttete. Sie fragte und erfuhr viele Einzelheiten: Was der Geliebte zum Frühstück verzehrte, mit welcher Leidenschaft er lieben konnte, dass er sogar bescheidene Verse verfasst hatte, die zwar nicht an die Werke großer oder wenigstens brauchbarer Dichter heranreichten, die aber doch Ainas Seele berührt hatten. Sie lächelte versonnen, als sie davon erzählte, und Jamade fand dieses Lächeln nun nicht mehr zu süßlich.
» Doch wo ist er nun, dieser Mann, auf den du wartest?«, fragte sie, als es ihr der Schwärmerei doch zu viel wurde.
» Er hat einen gefährlichen Auftrag angenommen, etwas, worum ihn seine Schwester bat. Und nun habe ich seit Tagen weder von ihm noch von seiner Schwester etwas gehört, doch hörte ich schlimme Dinge aus der Stadt, in die sie gereist sind, und so fürchte ich um sein Leben.«
» Und um ihres nicht?«, fragte Jamade mit gespieltem Erstaunen, denn sie war neugierig, ob sich Aina nicht irgendwann verplappern würde.
» Nein, ihr geht es gut, das weiß ich, doch nicht von ihr selbst«, wich Aina aus. » Und mein Geliebter, er ist verschwunden.«
» Ich fühle mit dir, Schwester«, behauptete Jamade, und dann lenkte sie das Gespräch auf die Tage und Nächte, die Aina mit dem Prinzen, dessen Namen sie nie verriet, verbracht hatte. Sie saugte alles auf, was die Frau zu erzählen hatte, prägte sich ihre Stimme und ihre Gesten ein. Es mochte sein, dass Prinz Sahif sein Gedächtnis verloren hatte, doch ihr war wohler, wenn sie es nicht darauf ankommen ließ. Er sollte sich sicher fühlen, wenn er in den Armen seiner Geliebten starb.
» Findet Ihr nicht, dass Ihr mir langsam sagen könntet, was Prinz Weszen von mir will?«, fragte Faran Ured, nachdem der Gesandte endlich seine Mahlzeit beendet hatte. Eigentlich hatte er das Gespräch nicht eröffnen wollen, denn das hieß, dass er Schwäche zeigte. Das trifft ja auch zu, dachte er. Ich bin in einer schwachen Verhandlungsposition, und dieser kleine, schmierige Gesandte kostet das aus.
Die Lampen des Schiffes waren längst entzündet, und kühle Nachtluft zog in das Zelt hinein. Einer der Sklaven hatte ein dreifüßiges Kohlebecken gebracht, aber die Wärme, die es abstrahlte, kam kaum gegen die klamme Kälte an, die durch den Zeltstoff hereinsickerte.
Botschafter Lanat, der stumm
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