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Schattenprinz 02 - Der Prinz der Klingen

Schattenprinz 02 - Der Prinz der Klingen

Titel: Schattenprinz 02 - Der Prinz der Klingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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verdiente, und noch mehr mit seiner heranwachsenden Tochter, die bockiger als eine Ziege war. Die ständigen Streitereien im Haus waren wie Gewitter, deren Blitze oft genug die Dienerschaft trafen. Jamade ertrug die Zornesausbrüche ihrer Herrschaft nur, weil sie wusste, dass sie dem jederzeit ein Ende setzen konnte. Sie war sogar mehrmals nachts in das Schlafzimmer der Herrschaft geschlichen und hatte mit dem Messer in der Hand darauf gehofft, dass der Kaufmann aufwachen und um Hilfe schreien würde. Aber er hatte ihr den Gefallen nicht getan. Also war sie am Ende dem Rat ihres Meisters gefolgt, hatte die Familie leben lassen, hatte beobachtet und gelernt. Jetzt war sie dafür dankbar.
    So schmückte sie für Aina ihr erfundenes Leben im Haus eines oramarischen Kaufmannes, den es seiner Frau wegen nach Cifat verschlagen hatte, mit Geschichten aus, die sie in Malgant erlebt hatte, und erzählte von einem langweiligen und behüteten Leben, das sie nur als Zuschauerin kennengelernt hatte. Doch fragte Aina immer weiter nach ihrer Familie, und Jamade musste weit in ihren Erinnerungen zurückgehen, um etwas über ihre eigene Familie zu finden, und diese Erinnerungen dann noch so weit abändern, dass sie auf die Tochter eines Kaufmannes passten. Also erzählte sie, dass sie zeitweise bei ihrem Großvater auf einem Landgut in der Nähe der Stadt gelebt habe, und sie erinnerte sich an ihre eigenen Ausflüge mit ihrem Großvater, der ihr auf einem stillen Fluss gezeigt hatte, wie man mit einem zahmen Blaureiher Fische fing. Und sie erzählte von ihren Geschwistern, aber nicht, wie sie mit den Kriegern im dichten Urwald von Martis den Fremden aus dem Norden aufgelauert hatten, sondern von kleinen Ereignissen, Begebenheiten und Streitereien, wie sie wohl überall auf der Welt vorkommen würden.
    » Und vermisst du deine Geschwister sehr?«, fragte Aina mitfühlend. Längst hatten sie alle steife Förmlichkeit überwunden. Sie hatten sich in Ainas Quartier zurückgezogen, und die Gastgeberin hatte Tee aufgesetzt. Im warmen Licht der Kerzen war sie sogar noch schöner als am Tag auf der Straße. Jamade sah schnell, dass die junge Frau über mehr als ausreichende Mittel verfügen musste, hatte sie doch eine Kammer angemietet, die nur für zwei Reisende vorgesehen war, nicht wie sonst üblich für zehn oder zwölf.
    » Ich vermisse sie«, antwortete Jamade schlicht, aber sie fragte sich, ob das stimmte. Die Bruderschaft hatte ihr alle weichen Gefühle ausgetrieben, denn für einen Schatten waren sie doch nur hinderlich, und so hatte sie lange nicht an ihre Geschwister gedacht. Doch jetzt sah sie ihre Schwestern fast vor sich, die kleine Onami, die aufgeweckte Amasani, die düstere Halide und sogar die so jung gestorbene Jasi. Was lief da über ihre Wangen? Tränen? Jamade wandte sich ab. Sie würde ihre Familie nie wiedersehen, denn so verlangten es die eisernen Gesetze der Schatten. Sie hatte es schwören müssen. Und für ihre Familie war sie bereits tot. Es gab Gräber auf Martis, leere Gräber, eines für jedes Kind, das den Schatten übergeben worden war.
    » Nicht doch, Amara«, hauchte Aina und nahm sie zärtlich in den Arm. » Ich verstehe, dass du betrauerst, was du verloren hast. Du musst dich deiner Tränen nicht schämen.«
    Jamade wusste, dass diese Tränen zu ihrer Rolle passten, doch waren sie nicht gespielt, und das beunruhigte sie. Sie wischte sich über die Augen, lächelte mit halbwahrer Traurigkeit und sagte: » Lass uns lieber von dir sprechen, Aina.«
    » Ach, da gibt es gar nicht viel zu sagen«, wehrte die junge Frau ab.
    Doch Jamade drängte mit gebotener Zurückhaltung, aber hartnäckig darauf zu erfahren, was ihre neu gewonnene Freundin denn bedrückte. Es war leicht zu erkennen, dass ihr diese Last das Herz schwer machte und dass Aina froh war, endlich mit einer Freundin darüber zu reden. » Der, auf den ich warte, ist der Sohn eines mächtigen Mannes, eines Fürsten, und wie bei euch ist auch sein Vater gegen unsere Verbindung, ja, er würde mich vielleicht sogar … wenn er erführe …« Sie stockte; offenbar versuchte sie immer noch, nicht alles preiszugeben.
    Der Sohn eines mächtigen Fürsten? Das war untertrieben. Sie sprach vom Großen Skorpion, so mächtig, dass sogar die Schatten ihre angeblich unumstößlichen Gesetze umstießen. Prinz Sahif hatte nach seiner Ausbildung zu seiner Familie zurückkehren dürfen, etwas, was Jamade verwehrt war. Sie verbarg ihren erst jetzt aufflammenden Zorn

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