Schattenprinz
Hand und ein Schwert im Gürtel.
Die Katze sprang von Gareths Schoß und folgte ihr mit erhobenem Schwanz nach draußen.
Baudoin tauchte aus dem Schatten auf. »Soll ich ihr folgen?«
»Nein.«
»Was geschieht, wenn sie die Burg verlässt und Flay sie findet?«
»Ich glaube, nicht einmal Flay könnte sie so schnell hier aufspüren. Und selbst wenn sie es täte, würde alles beim Alten bleiben. Ich kann einfach behaupten, ich hätte sie von Greyfriar zurückerobert.«
»Würde Ihr Bruder das wirklich glauben?«
»Natürlich. Was wäre denn die Alternative? Dass ich Greyfriar bin? « Gareth lachte schroff.
»Ich wollte nicht respektlos erscheinen, Mylord.«
Mit einer wegwerfenden Handbewegung wischte Gareth das Thema beiseite. »Ich weiß. Dies ist einfach nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte.«
»Mylord?«
»Es gefällt mir nicht, dass sie sich verraten fühlt. Sie ist sehr wütend und verletzt.«
»Sie sind aber nicht in Gefahr, oder etwa doch? Sie ist doch sicher nicht stark genug, um Sie zu besiegen. Sie erwähnten, dass sie geschickt ist.«
»Nein«, versicherte Gareth seinem Diener mitfühlend. »Ich habe keine Angst, dass sie mich angreift. Es ist nur so, dass sie … viel angenehmer ist, wenn sie nicht wütend ist.«
»Sie mögen die Gesellschaft dieser Menschenfrau?« Bestürzung statt Überraschung erfüllte Baudoin.
Gareth war so in seinen eigenen Gedanken verloren, dass er die entsetzte Miene seines Dieners nicht bemerkte. »Ich finde sie höchst interessant. Voller Leben und Kraft.«
»Ich nehme an, Sie beziehen sich damit nicht auf sie als ein köstliches Mahl.«
Gareth bedachte ihn mit einem vernichtenden Blick. Dann erhob er sich.
»Werden Sie ihr folgen?«, fragte Baudoin. »Wie ein Gefängniswärter?«
»Ja, das werde ich.« Gareth verließ den Raum.
24
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A dele stürmte aus der Burg. Sie hatte keinen Plan, der Ärger trieb sie vorwärts. Sie wusste nicht, was sie außerhalb der Burgmauern erwartete, aber sie hatte den festen Vorsatz, zu verschwinden und sich irgendwohin durchzuschlagen, wo es sicher war. Sie hatte in letzter Zeit so viele Lügen gehört, dass sie nichts und niemandem mehr vertrauen konnte.
Sie folgte demselben Weg, der sie hergeführt hatte, und wandte sich nach Norden, wo das Meer und das Boot lagen. Die Stadt war leer gewesen, als sie angekommen war, doch nun sah sie Menschen. Eine Menge Menschen. Und was sie erstaunte, war, dass sie alltäglichen Aufgaben nachgingen. Kochen, putzen und Handel treiben. Adele hatte in London nichts dergleichen gesehen. Die Menschen dort waren niedergedrückt, als hätten sie keinen Willen. Die Leute in Edinburgh wirkten zufrieden, manche lächelten sogar. Das einzige andere Mal, dass sie Menschen im Norden eine glückliche Gefühlsregung hatte zeigen sehen, war bei dem Paar in Canterbury, Alphonse und Nina, gewesen. Sie hatten nicht gewusst, dass Greyfriar ein Vampir war. Sie fragte sich, ob die Menschen hier die Wahrheit über ihn kannten.
Endlich erreichte Adele das Meer und suchte mit den Augen den einsamen Strand ab. Das Boot war verschwunden. Natürlich würde er es vor ihr verstecken. Sie war also doch eine Gefangene. Ihre Wut auf Gareth kochte über.
Als sie langsam zurück in die Stadt trottete, beäugten die Menschen sie neugierig, und ein paar von ihnen hoben grüßend die Hand. Zögernd erwiderte Adele ihr Winken. Dann kam Morgana eine Straße entlanggelaufen, ein Bündel auf den Armen. Die Prinzessin rief ihr etwas zu, und Morgana blieb lächelnd stehen.
»Ah, da sind Sie ja, Miss. Ich kam in Ihr Zimmer, aber Sie waren nicht dort.«
»Was ist passiert?«
»Nichts. Ich habe nur Ihren Umhang mitgenommen, um ihn zu flicken.«
»Das solltest du nicht tun. Ich kann auch nähen. Ich brauche nur Nadel und Faden.«
»Keine Mühe, Miss. Ich bringe ihn nur zur alten Mary. Sie wird ihn gleich wieder in Ordnung bringen.«
Adele zögerte ein wenig, dann fragte sie: »Darf ich mit dir kommen?«
»Aber natürlich, Miss.«
Die beiden gingen schweigend ein Stück, bis Adeles Neugier die Oberhand gewann.
»Wie bist du hierhergekommen?«, fragte sie. »Nach Edinburgh, meine ich. Wurdest du hier geboren?«
»Haben Sie je vom Greyfriar gehört? Menschlicher Wundertäter. Er hat ein paar von uns aus den Sklavenställen in London gerettet und hierhergebracht. Er muss mit Prinz Gareth zusammenarbeiten oder so was.«
»Oder so was.«
Morgana lachte laut. »In London wäre ich höchstwahrscheinlich schon tot, eine
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