Schattenprinz
würde, um sie nach Hause zu holen.
Ihr wurde übel, wenn sie daran dachte, wie nah sie ihr gekommen waren.
Plötzlich erklang ein heftiger, dumpfer Aufschlag in der Dunkelheit. Sofort richtete sich Adele kerzengerade auf und lauschte angestrengt. Vielleicht war es doch kein Traum gewesen, der sie geweckt hatte. Im Erdgeschoss war jemand wach. Greyfriar, dachte sie, der von seiner Erkundungstour zurückkam. Sie schwang die Beine aus dem Bett und schlich auf Zehenspitzen zur Schlafzimmertür, in der Hoffnung zu hören, wer zu dieser Stunde noch wach sein konnte.
Ein weiteres lautes Poltern. Diesmal gefolgt von einem leisen Stöhnen und einem abrupt erstickten Schrei. Adeles Augen weiteten sich jäh, und sie warf den Riegel der Tür vor. Dann hastete sie zurück zum Bett und zog die Klinge, die sie unter dem Kopfkissen versteckt hatte. Etwas Großes und Dunkles flog am Fenster vorbei. Mit einem Satz stürzte sie zu den Fensterläden und tastete nach dem Riegel, während ihre Finger das Messer fest umklammert hielten.
Sie waren gekommen, um sie zu holen! Sie waren bereits im Haus!
Sie stieß einen schrillen Schrei aus, um alle aufzuwecken, damit sie nicht im Schlaf überwältigt wurden. Es würde ihre Position verraten, doch das ließ sich nicht ändern. So laut sie konnte, schrie sie Greyfriars Namen. Unvermittelt erklangen überall um sie herum Schreie, als das Haus erwachte und die Bewohner sich dem Schrecken an ihren Schlafzimmertüren gegenübersahen.
Dann drang ein Geräusch an Adeles Ohren, das ihre Hoffnung dem Erdboden gleichmachte: ein schreckliches Fauchen direkt vor ihrer Tür. Sie zog sich in eine Ecke des Raumes zurück, diesmal lautlos. Der Türgriff hob und senkte sich. Dann stieß etwas hart gegen die Tür.
Sollte sie ausharren oder fliehen? Sie entschied sich für Letzteres und rannte zum Fenster. Adele riss die Läden auf und sah sich nach einem Vorsprung um. Direkt unter ihr befand sich ein Balkon, klein, aber erreichbar. Sie hatte bereits ein Bein über dem Fenstersims, als das Holz der Tür entzweisplitterte und sich ein Vampir den Weg hinein freikrallte.
Adele schlüpfte aus dem Fenster und ließ sich auf den Balkon ein Stück unter ihr fallen. Ihr Zimmer lag nur zwei Stockwerke über der Erde, deshalb konnte sie den Boden mit einem weiteren Sprung erreichen. Sie kletterte über das schmiedeeiserne Geländer des Balkons und hangelte sich daran so weit nach unten, wie es ihr möglich war, bevor sie sich fallen ließ. Es konnte sich nur um Sekunden handeln, bis sie die Verfolgung aufnahmen.
Die Prinzessin kam auf dem Boden auf und ließ sich so schlaff wie möglich zusammensinken, um die Wucht des Falls zu mildern. Ihre Zähne schlugen hart aufeinander, zum Glück war ihre Zunge nicht dazwischen gewesen. Sie überschlug sich zweimal, mühte sich auf die Füße und rannte los, ohne es zu wagen, sich umzusehen. Am besten nahm sie einfach an, dass ihr die Vampire dicht auf den Fersen waren. Was sie brauchte, war ein leicht zu verteidigendes Versteck, bis Greyfriar kam. Sie glaubte fest, dass er kommen würde. Sie musste nur lange genug am Leben bleiben, damit er sie erreichen konnte.
Adele hörte ein Fauchen dicht hinter sich. Eine der Kreaturen hatte sie gefunden und gab den anderen ein Zeichen, doch das Fauchen verriet der Prinzessin auch die Position des Vampirs, ohne dass sie hinsehen musste. Unvermittelt blieb sie stehen und wirbelte herum. Ihre glühende Klinge zuckte blitzschnell über die Kehle des Vampirs, und das Fauchen verstummte. Das Ding umklammerte den klaffenden Schlitz mit beiden Händen, die Augen vor Überraschung weit aufgerissen. Adele hatte keine Lust, stehenzubleiben und es mit offenem Mund anzustarren. Überall um sie herum erklangen Geräusche von Chaos. Schreie und Kreischen gellten ihr schmerzhaft in den Ohren. Das Dorf wurde angegriffen. Sie wusste, dass sie sich nicht verstecken durfte. Wenn es irgendetwas gab, das getan werden konnte, dann musste sie es versuchen. Adele rannte die Straße entlang, nur um festzustellen, dass sie von Blut überflutet war. Überall lagen Leichen. Adele hielt sich in den dunkelsten Winkeln, um sich vor wachsamen Augen von oben zu verbergen. Alle paar Sekunden huschten Schatten über den Boden, wenn ein Vampir auf der Suche nach Beute über sie hinwegschwebte.
Eine junge Frau rannte Adele in den Weg, die Augen in nacktem Entsetzen hinter sich gerichtet. Sie schrie auf, als sich eine dunkle Gestalt auf sie stürzte und sie zu Boden
Weitere Kostenlose Bücher