Schattenprinz
Kinder begangen hatten.
Die Nacht, die für die Alexandrier so dunkel ausgesehen hatte, dämmerte nun heller als die Strahlen der Sonne, die auf Clarks Messingknöpfen funkelte. Nach fünfzehn Minuten tosender Bewunderung trug Clark Prinz Simon wieder hinein und stellte ihn auf dem Marmorfußboden ab, ohne einen weiteren Gedanken an ihn zu verschwenden. Der Junge suchte wie selbstverständlich Colonel Anhalts Seite, der im Schatten des ausgedehnten Korridors gewartet hatte.
»Ich will zwei Kreuzer«, sagte Clark zu dem angemessen gekleideten Premierminister Lord Kelvin. »Mindestens vierundvierzig Kanonen, aber hauptsächlich mit der Möglichkeit zum Bombenabwurf. Sie müssen schnell sein. Ich will, dass sie fünf Kompanien von Marineinfanterie tragen, die erfahren im Vampirkampf sind. Keine Hausgardisten. Persische Einheiten, falls verfügbar. Ich habe Gutes über diese Jungs und ihre Kampagnen rund ums Kaspische Meer gehört. Und ich will, dass sie in zwei Tagen marschbereit sind. Wir haben schon viel zu viel Zeit verschwendet.«
Kelvin blinzelte nicht, denn das hätte verraten, wie schockiert er war. Er sah zu den breiten Schultern des Amerikaners hoch, die über ihm aufragten. »Warum?«
»Weil ich den Feind blutig schlagen werde. Ich will, dass sich diese Monster wegen mir und dem, was ich tun könnte, Sorgen machen.« Der Senator klemmte sich eine Zigarre zwischen die Zähne, hielt eine Flamme an die Spitze und zog kräftig daran. »Bis zu meiner Hochzeit ist nur noch ein Monat, Premierminister. Es ist höchste Zeit, dass ich ein paar Vampire umbringe, sonst wird vielleicht nichts daraus, dass ich vor den Altar trete.«
10
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E s war ein stürmischer Abend, als Greyfriar ein paar Lichter in der vertrauten Silhouette von Edinburgh schimmern sah, mit der schroffen Felskante von Arthur’s Seat auf der einen und der düster aufragenden Burg auf der anderen. Die vielen tintenschwarzen Rauchwolken, die aus den Schornsteinen aufstiegen, und die von Asche übersättigte Luft verrieten ihm, dass es kalt war.
Er war schnell vorangekommen und hatte seinen Weg von Frankreich in den Norden in nur wenigen Tagen zurückgelegt. Zum Glück hatten die scharfen Winde der Nordsee ihm erlaubt zu fliegen. Sogar bei steifem Wind war es schwierig, das Gewicht seines Schwerts und der Pistolen sowie den Rucksack mit dem klobigen und kostbaren Buch darin auszugleichen.
Greyfriar landete einige Meilen vom Zentrum Edinburghs entfernt. Er nahm die geschwärzte Brille und das Tuch ab, das sein Gesicht maskierte. Dann rollte er die Waffen in den Umhang und trug das Bündel unter dem Arm, als er auf seine Stadt zu ging. Die meisten Menschen befanden sich in ihren Häusern, da es dunkel war und sie sich nach dem Schutz und der Wärme eines Feuers sehnten. Die Bauern, die den Schwertkämpfer sahen, grüßten ihn mit offensichtlicher Zuneigung. Einer von ihnen bot ihm seinen einzigen Laib Brot an, doch Greyfriar winkte höflich ab.
Er machte sich auf den Weg die grobe Kopfsteinpflasterstraße hinauf und durch das offene Tor der großen Burg. Dort gab es keine Lichter. Und kein Feuer. Er öffnete eine kleine hölzerne Tür, die in eine massive Steinmauer eingelassen war, und trat ein.
Die Geräusche von Bewegungen hallten durch die weitläufige Burg, und ein seltsamer Ansturm weichen Getrappels kam näher.
Eine Herde Katzen tauchte aus der Dunkelheit auf. Sie trabten auf ihn zu und umspielten wie eine pelzige Welle seine Knöchel. Die Masse aus Orange, Schwarz und Weiß strich ihm um die Beine. Er bückte sich und streichelte einige von ihnen, obwohl er ihre kleinen Körper kaum unter den Fingerspitzen spüren konnte.
Dann betrat ein Mann den Raum und watete unbeholfen durch die Flut von Katzen. Er war groß und trug ein schweres Brokathemd mit einem rot und grün gemusterten Kilt nach alter regionaler Mode. »Ist es gut gelaufen, Mylord?«
»Nein, Baudoin. Ich habe versagt.« Greyfriar öffnete den Rucksack, nahm das Buch heraus und untersuchte es auf Beschädigungen.
»Dann ist sie also tot?«
»Nein. Flay hat sie.«
»Flay?« Baudoin verzog angewidert das Gesicht.
Greyfriar lächelte schwach. »Und ich hatte meine Chance bei Flay, habe sie aber ebenfalls vertan.«
Anklagend warf der Diener einen Blick auf das Bündel blutverkrusteter Waffen. »Dann haben Sie die da benutzt?«
»Natürlich.«
Baudoin hielt eine Hand hoch, und seine Fingernägel streckten sich zu scharfen, kleinen Dolchen. »Das nächste Mal benutzen Sie die
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