Schattenprinz
meinen vier Jahren dort wurde ich sehr aufmerksam beobachtet. Ich wurde fünfmal vom Hof verhört und diszipliniert, einschließlich zweier Befragungen und strenger Tadel durch Lord Kelvin, der höchst verärgert darüber war, dass ich die offizielle Doktrin nicht bestätigte, Religion sei nur wertloser Aberglaube und die Macht der Wissenschaft und Technologie die einzige Lösung für die Menschheit. Nur die persönliche Intervention des Kaisers erlaubte es mir, die Angriffe durch den Hof zu überstehen, und das wiederum geschah einzig, weil Seine Durchlaucht der Kaiser von Singapur unser großer Förderer ist.
Erst in den letzten sechs Monaten ist es mir gelungen, Ihre Hoheit an irgendeine Art von magischen Praktiken heranzuführen. Ich hatte vor, ihre praktische Ausbildung nach der Hochzeit mit Senator Clark zu beschleunigen. Die Aufmerksamkeit des Hofes wäre vom Krieg in Beschlag genommen und der Senator würde zu so etwas wie dem stählern entschlossenen männlichen Erben werden, den sich Lord Kelvin immer verzweifelt anstelle eines schwachen Mädchens wie Adele gewünscht hat. Die Prinzessin ist die außergewöhnlichste Adeptin, die unsere Welt je gesehen hat, und ordnungsgemäß ausgebildet in Magie und Glauben wird sie Gebete so vernichtend wie Blitze schleudern. Sie wird die Welt von den Vampiren befreien. Doch leider glaube ich nicht, dass sie bereits geübt genug ist, um diese Kreaturen anzugreifen oder ihnen zu entkommen. Ich muss gestehen, dass ich sie noch nicht dazu ausgebildet habe, so spezifische Fähigkeiten zu beherrschen. Ich bitte euch um Vergebung für mein Versagen.«
Mamoru verbeugte sich tief und bereute bereits, so viel erklärt zu haben. Dadurch wirkte es, als müsse er sein Handeln rechtfertigen.
Sir Godfrey lächelte und füllte Mamorus Glas auf. »Alles unnötig, das versichere ich dir, mein lieber Junge. Wenn hier irgendjemandem eine Schuld zuzuschreiben ist, dann den verdammten Narren bei Hofe, die die Prinzessin nach Norden schickten. Natürlich stellt niemand deine Fähigkeiten infrage, mein lieber Mamoru.«
Nzingu blieb verdächtig still. Sie wandte sich schnell um, und die Knochenperlen auf ihrem Kleid rasselten.
Mit angemessener Distanziertheit sagte Mamoru zu der Zulu-Hexe: »Obwohl ich kein Recht dazu habe, möchte ich dich bitten, noch nicht zu verzweifeln.«
Sir Godfrey rieb sich die Hände. »Genau. Dann hast du sicherlich jemanden in Großbritannien, der nach der Prinzessin sucht?«
»Selkirk«, antwortete Mamoru. »Ein ausgezeichneter Geomant.«
Sir Godfrey schürzte die Lippen, während er versuchte, dem Namen ein Gesicht zuzuordnen. Als es ihm nicht gelang, zuckte er, Mamorus Einschätzung akzeptierend, die Schultern.
Nzingu war völlig in ihren Gedanken ans Verderben gefangen. Nur Sanahs Augen begegneten Mamorus Blick. Ihr sagte der Name Selkirk eindeutig etwas, und ebenso eindeutig war sie nicht erfreut darüber.
Mamoru fuhr mit der Hand über den Rand des Basaltsarges und ertastete die Schrift, die in den Stein gemeißelt war. »Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir unsere Prinzessin zurückbekommen werden. Unsere Mittel sind immens. Und trotz unserer Feindseligkeit gegenüber dem Reich verfügt Equatoria über weitreichenden Einfluss. Das können wir für unsere Zwecke ausnutzen. Ich bin sicher, sobald diese Schwierigkeit überstanden ist, werden unsere Pläne voranschreiten. Wie sie es müssen.«
»Hört, hört!«, murmelte Sir Godfrey und klopfte mit der Hand auf den Sarkophag, was die Kammer mit dem Klirren seines goldenen Siegelrings erfüllte.
Sanah schloss ihre Mandelaugen und enthüllte dabei Hennatätowierungen auf der Außenseite der Lider, die wie Augen aussahen. Sie wandte ihren ewigen Blick von Mamoru ab, hob das Gesicht und begann leise zu beten.
Zwei Vormittage später erschien Senator Clark auf dem Balkon des Victoria-Palastes in Alexandria. Er trug Prinz Simon auf den Armen wie ein liebender Vater. Prinz Simons tatsächlicher liebender Vater war nicht anwesend, da entschieden worden war, dass Kaiser Constantine den Blicken der Öffentlichkeit fernbleiben sollte, um seine Sorge über die anhaltende Ernsthaftigkeit der Lage zu betonen. Die Menge war begeistert vom Anblick des Prinzen, am Leben und wohlauf. Und sie waren bewegt von dem Bild, das Senator Clark als Retter des kaiserlichen Erben darstellte. Nun hatten sie das Gefühl, dass es den Vampiren noch leidtun würde, dass sie je eine so feige Tat wie den Angriff auf die kaiserlichen
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