Schattenprinz
der Meinung war, es gäbe Grund zur Bestürzung. Er hatte die Situation fest im Griff. Träge hob er die Hand, um die Ältesten zum Schweigen zu bringen. »Bitte! Ich habe sie jetzt schon seit mehreren Wochen in meiner Gewalt.«
Der König riss die Augen auf. »Was? Das wusste ich nicht.«
»Nein, Sire. Ich bin deine rechte Hand. Es ist nicht nötig, dass du dich mit unbedeutenden Angelegenheiten beschäftigst.«
»Unbedeutend?«, brüllte der bärtige Lord Ghast of Cornwall. »Dachtest du denn nicht, dass die Menschen kämpfen würden, um sie zurückzubekommen? Was hast du getan, Cesare?«
»Hast du Angst vor den Equatorianern, Lord Ghast?«, entgegnete Prinz Cesare mit ruhiger Stimme.
Der Ältere fletschte die Zähne. »Du hattest kein Recht, einen Krieg anzufangen!«
Der alte König begann, unruhig herumzuzappeln. Er knetete die Hände mit den gesprungenen und vergilbten Krallen, die aufgrund seines Alters permanent ausgefahren waren.
»Ist es denn nicht besser, wenn sie unseren Krieg führen, anstatt wir den ihren?«, antwortete Cesare.
» Unseren Krieg?«, protestierte Ghast. »Wieso ist das denn unser Krieg? Bordeaux wurde aufgrund deines Handelns vernichtet, und wir hören davon zum ersten Mal von diesem armseligen Abschaum, der sich vor uns schleppt! Ist das die Art, wie die Ältesten von Cesares Krieg erfahren sollen? Es hat keine Clanversammlung gegeben!«
Cesare grinste. »Oh, mein Krieg hat noch nicht begonnen. Macht euch keine Sorgen wegen dieses degenerierten Haufens in Bordeaux. Die Entführung von Prinzessin Adele hat den Equatorianern die Initiative genommen. Jetzt können wir sie bekämpfen, wenn wir dazu bereit sind. Ich brauche meinen Plan nicht zu erklären. Und offen gesagt beunruhigt es mich, dass du die Kühnheit besitzt, mich hier in der Kammer meines Vaters anzuzweifeln.« Er erhob sich drohend.
Lord Cornwall schwieg. Er nickte dem Prinzen knapp zu und setzte sich wieder. Den anderen Ältesten bereitete das Schauspiel, wie Cesare den überheblichen Lord Ghast geschickt wieder in die beruhigenden Schranken der Clanhierarchie verwies, so viel Genugtuung, dass sie dem Prinzen seine Willkür verziehen.
König Dmitri, der völlig den Faden verloren hatte, murmelte: »Sind wir im Krieg?«
Cesare gab vor, über die Bemerkung des Königs nachzudenken, als bedeute sie etwas, und entgegnete dann: »Noch nicht, Majestät. Deshalb habe ich getan, was ich tat. Erinnerst du dich daran, wie ich dir erzählte, dass Equatoria und Amerika ihre Streitkräfte mobilisieren und auf die Allianz ihrer beider Völker warten?«
Erneut brachen die Ältesten in bestürztes Gemurmel aus. Es war das erste Mal, dass sie von den Plänen der menschlichen Königreiche hörten. Die Stirn des Königs runzelte sich vor Bestürzung. Er erinnerte sich ebenfalls nicht daran. Natürlich konnte der König nicht mehr sicher sein, was man ihm berichtet hatte und was nicht. Cesare wusste das, und deshalb erzählte der Prinz seinem Vater nie etwas. Dennoch hielt der alternde König noch einen gewissen Anschein von Kontrolle aufrecht, indem er nickte, als erinnere er sich an eine Unterhaltung.
»Sollen wir den Clan zur Versammlung rufen?« Der König rieb sich über das dünn behaarte Kinn. »Der Angriff auf Bordeaux …«
»Bedeutet nichts.« Cesare zeigte auf die schmutzige Kriegsführerin vom Kontinent. »Sieh sie dir an. Die Menschen haben Bordeaux mit drei Schiffen und ein paar Männern dem Erdboden gleichgemacht. Tatsächlich gibt uns der Angriff auf die Stadt die Gelegenheit, das Blatt noch mehr zu unseren Gunsten zu wenden, wenn wir mutig handeln. Wir können andere Clans zu uns ins Boot holen.« Der Vampirprinz streckte die langen Finger und ballte sie zur Faust. »Dann können wir die Menschen nach unserem Belieben angreifen. Aber nur, weil ich die Voraussicht besaß, Prinzessin Adele in meine Gewalt zu bringen. Eines Tages wird man sich an meine Taten als einen Wendepunkt für unsere Clans und unsere Art erinnern.«
Cesare schwebte auf den Tower zu, in einigem Abstand gefolgt von Flay. Der erbärmliche Auftritt des Königs im Rat hatte ihn zutiefst beunruhigt. Cesare musste sich vor der natürlichen Neigung des tatterigen, alten Fossils, in Panik zu geraten und den Rat beim kleinsten Anzeichen von Schwierigkeiten einzuberufen, in Acht nehmen. Eine Clanversammlung gehörte im Augenblick nicht zu Cesares Plänen, weil er sich niemals sicher sein konnte, auf welche Seite sich die Meute schlagen würde. Cesare zog
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