Schattenraum 01 - Garlyn - Das Schattenspiel
wollte Waridur schreien.
Dann gab es einen plötzlichen Ruck. Sein Sichtfeld wurde um 180° herumgerissen, von der Tür zum Fenster hinter ihm.
Dann war nichts als Schwärze.
Noch bevor Tsirgul das Büro seines Herren durch die Geheimtür betrat, spürte er die Kälte, die von dem Raum ausging. Keine körperliche Kälte – eine Kälte des Geistes, die er in seinem eigenen, durch die Stims, die er sich gespritzt hatte, hellwachen Geist spürte.
»M-Meister«, zirpte Tsirgul. »Was ist geschehen? Alles ist voller Wut und Verwirrung.« Er trat näher, die Finger emsig ineinander verknotend, als könnte das seine Nervosität lockern. Er sehnte sich nach einer weiteren Dosis Traumstaub, um wieder in die Gnade des Schlafes herabzusinken, fernab von dem Wust aus Gedanken und Stimmungen, der die Luft auflud wie ein Gewitter.
»M-Meister?«
Sein Gebieter saß hinter seinem Schreibtisch. Sein Kopf lag schlaff auf seiner Schulter, als würde er schlafen. Das Feuer seines Geistes und seines schrecklichen Willens, das jedes Mal gedroht hatte, Tsirgul zu verbrennen, wenn er ihm gegenüberstand, war erloschen.
Tsirgul legte alle vier Hände an seinen Mund. Seine Fühler stand aufrecht wie Blitzableiter. »Oh nein«, zirpte er. »Oh nein ...«
»Ahhh, Waridurs kleiner Seher.«
Tsirgul summte erschrocken, als er die Stimme hörte – nein, er fühlte sie, direkt in seinem Kopf, kalt und flüsternd. Sie hielt ihn mit eisernem Griff gepackt und er wusste, wenn er versuchte, sich gegen ihren Einfluss zu wehren, würde sie ihn zerbrechen wie einen vertrockneten, alten Zweig.
»Du hast jetzt einen neuen Meister, kleiner Seher«, sagte die Stimme. »Ich will, dass du jemanden für mich findest.«
Wie von unsichtbaren Fingern erhoben, schwebte eine Phiole direkt vor Tsirguls Facettenaugen. Sie war gefüllt mit rubinroter Flüssigkeit.
»Ganz ruhig!« Garlyn hob die leeren Hände. »Es ist vorbei, versprochen!«
Er schnallte sich ab und trat zu Kirais Pilotensessel.
Sie zuckte zusammen. »Bleib, wo du bist!«
Ihr ängstlicher Blick wechselte von ihm zu der Helix. Garlyn versteckte seinen rechten Arm samt dem Artefakt hinter dem Rücken. »Ki«, sagte er behutsam. »Es ist alles okay, wir sind in Sicherheit.«
Sie zitterte immer noch, die Arme um sich geschlungen. »W-Was war das? Was ist passiert? Was hast du getan?«
»Tut mir leid. Ich wollt’ dich ja warnen, aber es war keine Zeit ...« Und ich hatte keine Ahnung, ob es funktionieren würde , dachte er.
»Diese Monster«, flüsterte sie. »Ich dachte, ich träume, aber ich kann nicht aufwachen!«
»Ja, ich kenn’ das Gefühl.« Er versuchte ein aufmunterndes Lächeln. Dabei erinnerte er sich noch sehr genau an seine eigene Panik bei seinem ersten Besuch im Schattenraum. Die Hölle , hatte Evi den Abgrund genannt. Er war damals wie heute geneigt, ihr zuzustimmen.
Er tat einen weiteren, vorsichtigen Schritt auf Kirai zu. Sie ließ ihn keine Sekunde aus den Augen, als fürchtete sie, er könnte sie jederzeit zurück in die Finsternis schicken.
»Meine Leute nannten es den Schattenraum«, sagte er. »Es ist wie so ’ne Art Horrorversion vom Hyperraum, nur ... ich weiß nicht.« Er rieb sich den Hinterkopf. »Ich hab’ selbst noch nicht alles begriffen. Aber wir sind in Sicherheit, siehst du?«
Er deutete zum Scanner. Syndola lag gute hundertundsechzig Lichtjahre hinter ihnen. Sie befanden sich irgendwo im Perseus-Arm, in einem unbewohnten Raumvolumen. Selbst wenn ihre Verfolger sofort aufbrachen, würden sie eine lange Zeit brauchen, um hierher zu kommen. Falls sie überhaupt wussten, wo sie suchen mussten.
Auf jeden Fall hatten sie die Chance, wieder zu Atem zu kommen. Und es beruhigte ihn, zu sehen, dass sich Kirais Anspannung allmählich lockerte. Nicht aber ihre Verwirrung.
»Deine ... Leute?«, wiederholte sie.
»Ist ’ne lange Geschichte. Ich mein’, ’ne verflucht lange Geschichte. Und ich kenn’ selbst nicht alle Details.«
Sie blickte zu den Sternen. »Mein Vater ...«
»Wird uns nicht so schnell finden. Falls überhaupt. Das Schiff, das uns entgegen geflogen ist, dieses potthässliche Ding – das war ein Schiff der Dru’hn. Die Typen, an die er mich verkauft hat. Schätze, er wird ihnen erst mal ’n paar sehr unangenehme Fragen beantworten müssen.«
»Werden sie ihn töten?«, fragte Kirai.
Garlyns Gesicht schien die wahrscheinlichste Antwort wiederzuspiegeln.
Kirai setzte eine Miene grimmiger Befriedigung auf. »Gut«, sagte sie.
Er
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