Schattenraum 01 - Garlyn - Das Schattenspiel
wie im Bauch seiner nicht vorhandenen Mutter; die Raumanzüge, die sie auf der Eric gehabt hatten, wirkten dagegen wie klobige Blechbüchsen.
Er ging zur Luftschleuse des Frachtraums, wartete, bis sich die innere Tür geöffnet hatte, und betrat die geräumige Kammer dahinter, während die Tür sich hinter ihm wieder schloss. Dann befahl er dem Schiff, die äußere Tür zu öffnen.
Die Kammer füllte sich augenblicklich mit grüngrauem Schnodder. Die Vago tauchte etwa zweihundert Meter tief; das Visierdisplay verriet ihm, das dort draußen ein Druck von vierundvierzig gobtri herrschte – das waren gut fünfundzwanzig bar. Der Anzug verhärtete sich sofort und passte sich den neuen Druckverhältnissen an; alles, was Garlyn von ihnen spürte, war ein Hauch von Klaustrophobie, den er schnell abschütteln konnte.
Glitschige Dunkelheit hüllte ihn ein. Er sah nur dank der Scannerdaten, die wie eine geisterhafte zweite Sicht auf das Visierdisplay gelegt waren. Eine abstrahierte, falschfarbige Version der Realität.
Er blickte nach unten, sah die Scannerdarstellung der Schwelle der Luftschleuse und das schleimige Nichts darunter. Er dachte an Ki und ob sie mit Parker und seinen Leuten klar kommen würde; an die Dru’hn, die jederzeit über sie herfallen konnten. Dann schob er all das beiseite, holte tief Luft – und trat aus der Luftschleuse.
Er versank sofort im Schleim; langsam, wie in Zeitlupe, zog ihn die Schwerkraft hinab durch die zähe Masse. Zu langsam für seinen Geschmack. Also aktivierte er auf Knopfdruck die winzigen Schubdüsen an den Schultern des Anzugs und ließ sich von ihnen weiter nach unten drücken, zwei Meter pro Sekunde. Der Außendruck – wie ihn das Display freundlich ermahnte – wuchs mit jedem Zentimeter, während der kränkliche Glibber am Visier vorbei floss, matt beleuchtet vom Schein der Displayanzeigen.
Garlyn fühlte sich wie im Verdauungstrakt eines Ungeheuers, von allen Seiten von fleischiger Materie bedrängt. Unwillkommene Erinnerungen blitzten auf: wie der Geist ihn das erste Mal zu sich geholt, und mit gallertartigen Armen in die Tiefe gezogen hatte. Er erinnerte sich noch gut an seine Panik von damals; die Angst vor dem Ersticken, vor dem Unbekannten.
Die einzige Furcht, die ihn jetzt erfüllte, war, zu spät zu kommen. Es war so wenig, so verflucht wenig von dem lebendigen Ozean von Viridis übrig. Und die Stimme des Geistes hatte so kläglich geklungen, so verwirrt, wie die eines dementen, alten Mannes.
Halt aus, Kumpel . Nur noch ein bisschen. Und sei’s nur, damit wir uns voneinander verabschieden können.
Bald war er auf neunhundert Meter hinabgesunken. Der Außendruck betrug einhundert bar, die ihn zu rotem Gelee zerquetschen würden, sollte der Anzug versagen. Unter ihm, keine dreihundert Meter tiefer, zeigte der Scanner die lebendige Region des Meeres: ein grasgrünes Feld inmitten von Grau. Gleich würde er darin eintauchen, in den kümmerlichen Rest, der von seinem Freund übrig geblieben war.
Ein Batzen Würmer schien sich in seinem Magen zu tummeln. Seine Finger kribbelten unentwegt. Eine Art Fieber hatte seinen ganzen Körper erfasst.
So nahe. Er war dem Ziel so nahe.
Kirai verfolgte Garlyns Tauchgang über den Scanner der Vago . Er glitt mühelos in die Tiefe, fast, als bewege er sich durch Wasser, anstatt durch diesen Auswurf dort draußen. Sie unterdrückte ein Seufzen. Sie wollte bei ihm sein, etwas tun – nicht hier im Schiff sitzen und darauf warten, dass er zurückkehrte. Wenn sie wenigstens mit ihm hätte sprechen können!
Der Terraner namens Parker dagegen war für ihren Geschmack viel zu gesprächig.
»Ich hoffe, er macht es kurz da unten. Wir hängen schon viel zu lange auf diesem Planeten fest. Und wenn ich deine Miene richtig deute, siehst du das genauso.«
Ja, das tat sie. Aber sie hatte nicht vor, ihm das einzugestehen.
Sie hörte, wie er in Garlyns Sessel Platz nahm. »Kirai, richtig?«
»Richtig«, antwortete sie kühl.
»Und wie weiter?«, fragte er, seine Stimme freundlich-charmant.
»Nichts weiter. Nur Kirai.« Waridur war der Name ihres Vaters gewesen. Sie hatte schon vor einiger Zeit beschlossen, dass sie ihn niemals tragen würde.
»Verstehe.« Sie hörte Parkers leises Lächeln. »Du gehörst nicht zu Futures Crew, oder?«
Erst jetzt sah sie ihn an, ihr Blick war abweisend. »Nein.« Vielleicht sollte sie ihn zu den anderen Terranern schicken. Alles, was sie über den Mann gehört und von ihm gesehen hatte, ließ sie auf
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