Schattenraum 01 - Garlyn - Das Schattenspiel
als wäre damit alles geklärt.
»Aber sie spricht nicht mehr mit mir!« Garlyn breitete hilflos die silberumhüllten Hände aus. »Seit wir damals das erste Mal durch den Schattenraum geflogen sind, hab’ ich sie nur ein, zweimal gehört. Und jetzt kommt nichts mehr, außer leises Geflüster, dass ich die meiste Zeit nicht mal wahrnehme!«
» Weil du dich vor ihr fürchtest. «
»Ich ...!« Garlyn brach ab.
Ja, erkannte er.
Ja, das war es gewesen. Die ganze Zeit lang.
Er hatte sich vor der Helix gefürchtet. Vor dem Schattenraum. Vor seinem Erbe. Vor der Macht, die es mit sich brachte. Davor, wie die Helix ihn verändern könnte.
» Du hast sie seitdem wieder benutzt, nicht wahr? «, fragte der Geist, obwohl er die Antwort kennen musste.
»Ja.« Garlyn nickte unter dem Helm. »Zweimal. Ohne wirklich zu wissen, was ich da mache.«
» In Momenten, als deine Verzweiflung größer war als deine Angst. «
»Könnte man so sagen.« Nein, es stimmte: Auf der Flucht von der Welt seines Volkes. Von Waridur eingesperrt, während Kirai schrie. Auf der Flucht vor den Dru’hn und Waridurs Handlangern. Immer, wenn die Not seine Zweifel verdrängt hatte.
Aber es gab noch eine Emotion, die die Helix erwecken konnte: Wut.
» Sie ist sehr betrübt «, sagte der Geist des Meeres. » Sie war einsam, für eine lange, lange Zeit. Bis du kamst und ihr miteinander verschmolzen seid. Aber du hast dich gegen sie gewehrt. Sie abgelehnt. Das hat sie verletzt. Die Verschmelzung wurde nicht vollendet. «
»Woher weißt du ...?«
» Sie hat es mir gesagt. «
Garlyn riss die Augen auf. »Du kannst sie hören ?«
» Ja. Du nicht? «
»Nein, das hab’ ich doch eben gesagt! Sie spricht nicht mehr mit mir!« Ein Verdacht keimte in ihm auf. Er wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte. »Halt, warte mal! Willst du mir sagen ... heißt das ... die Helix – ist eingeschnappt? «
» So könnte man es bezeichnen. «
Für eine Sekunde oder zwei starrte Garlyn mit offenem Mund. »Na großartig!«, sagte er, als er sich wieder gefasst hatte. »Das ist einfach –! Hör zu, sag ihr, ich wollte ihre Gefühle nicht ...« Er legte die Hände an die Seiten des Helms. »Oh Mann, das ist doch albern! Sie ist nur ’n Ding !«
» Genau wie ich. «
Genau wie Evi. Faktisch nur eine Maschine. Und dennoch viel, viel mehr.
Garlyn schwieg. Was sollte er tun? Die Helix streicheln, ihr Blumen schicken und sagen, wie leid es ihm tat? »Okay, pass auf. Sag ihr ... sag ihr, ich war nicht vorbereitet, okay? Ich konnt’ nicht wissen, was sie mir zeigt. Was sie drauf hat. Was muss ich tun ...?« Er seufzte. »Was muss ich tun, damit sie nicht mehr sauer auf mich ist?«
» Du musst die Verschmelzung vollenden. Nur, wenn du dich ihr ergibst, kann sie dir untertan sein. «
Sein Traum. Der Schattenriss, der die Hand nach ihm ausstreckte. Er hatte vermutet, dass es die Helix war, die in seinem Unterbewusstsein herumspukte. Aber die Geste war ihm immer bedrohlich vorgekommen.
Aber jetzt – jetzt erschien ihm die ausgestreckte Hand fast verzweifelt. Wie die Hand einer Geliebten, die versuchte, ihren Liebsten zu ergreifen, bevor sie ihn für immer verlor.
»Was ...« Er zögerte. »Was müsste ich tun? Um mit ihr zu verschmelzen, meine ich?«
» Ergib dich ihr «, wisperte der Geist des Meeres. » Ohne Furcht. Ohne Zweifel. Du bist Garlyn ro-Caytor. Ein Träger des Schattens, ein Herr des Abgrunds. Und sie ist ein Teil von dir. Du musst es akzeptieren. «
Garlyn sagte nichts. Er wusste nicht, ob er dafür bereit war. Ob es wirklich das war, was er wollte. Und welchen Preis er dafür zahlen würde.
» Sie sehnt sich danach, dass ihr endlich eins werdet. Sie braucht die Crondar. Sie braucht dich. «
Vagos Stimme drängte sich ihm auf. Die Aufzeichnung, die der Abscheuliche für ihn auf der Heimatwelt seines Volkes hinterlassen hatte. Die Schauergeschichten über die Crondar. Wie verdreht sie gewesen waren, nach jedermanns Standard. Wie (er zögerte, das Wort zu benutzen, doch es passte so gut wie kein anderes) böse . »Geist«, sagte er. »Ich hab’ dich das nie gefragt, aber ... wie waren sie so drauf? Meine Leute? Die Crondar?«
Er spürte ein erneutes Seufzen des Geistes in seinem Verstand, wie einen kühlen Windhauch. » Ach. So vieles ist vergangen. Aber ich erinnere mich an sie, so lange ich existiere. Oh, sie waren wundervoll. Von einem unbeugsamen Willen erfüllt. Die auserwählten Herrscher des Universums. «
Und er erzählte Garlyn von
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