Schattenreiter
seinem Schweif eine lästige Krähe in die Flucht. Die setzte sich auf einen Felsen und blickte neugierig zu uns herüber. Rin schnalzte mit der Zunge, woraufhin das Tier aufflog und aus unserer Reichweite verschwand.
»Mansagt«, begann er schließlich, während er konzentriert weiterschnitzte, »dass die Zorwaya einen Körper suchen, in den sie einkehren können. Doch es muss ein Körper sein, der ihnen freiwillig zur Verfügung gestellt wird und den sie jederzeit wieder verlassen können.«
»Warte. Ich komme nicht ganz mit. Was bedeutet Zorwaya?«
»Zorwaya sind«, er suchte nach den richtigen Worten und unterbrach das Schnitzen für einen Augenblick, »kleine Geister. Schutzgeister sozusagen.«
»Das klingt ja gruselig.«
»Ist es aber nicht. Es sind gute Geister.«
»Mmh.«
Er lachte über meinen skeptischen Gesichtsausdruck. »Nicht schlimm, wenn du nicht daran glaubst.«
»Ich schließe nichts aus«, lenkte ich ein. Wenn ich ehrlich war, faszinierte mich seine Welt immer mehr. Ich war erstaunt, wie viel er über Geister und Tiere wusste. Und das machte mich noch neugieriger auf ihn.
»Es ist spät«, sagte er plötzlich und deutete zum Stand der Sonne. »Ich bringe Larki besser zurück.«
»Schade.«
Das Holzstück verstaute er in seinem Rucksack. Mit einem Handgriff befestigte er das Taschenmesser an seinem Gürtel. Daran hingen außerdem silberne Ketten mit hölzernen Kugeln, die genau wie mein Shi-ru’u mit Federn geschmückt waren.
Rin erhob sich, steckte Daumen und Zeigefinger in den Mund und erzeugte einen schrillen Pfeifton, der Larki anlocken sollte.
Artig kam Larki angetrabt und blieb vor Rin stehen, der ihm sanft auf den Hals klopfte. »So, Akpatok, so.« Er ordnete das Zaumzeug, doch bevor er sich auf den sattellosen Rücken des Pferdes schwang, drehte er sich zu mir um.
»Und wie kommst du nach Calmwood zurück?«
»Ich fürchte, ich muss auf den Bus warten.«
»Aber der kommt nur …«
»Alle vier Stunden, ich weiß.« Ich zuckte hilflos mit den Schultern. »Am besten gehe ich einfach immer gerade aus die Straße runter. Irgendwann komme ich schon an.«
»Daran hättest du vorher denken sollen, Stadtmädchen. Komm, steig auf, Larki und ich bringen dich nach Hause.«
Ich hob abwehrend die Hände. »Auf diesen Rücken bekommen mich keine zehn Pferde.«
»Ich halte dich fest, versprochen.«
Er reichte mir die Hand. Sein Blick verriet, dass er keine Widerrede duldete. Obwohl sich alles in mir dagegen sträubte, gab ich doch nach und nahm sie an. Er führte mich zu Larki und ließ den Hengst an mir schnuppern, damit er meinen Geruch wiedererkannte.
»Jaknura, Larki«, flüsterte er beruhigend, während die Lippen des Pferdes an meinem T-Shirt zupften.
»He, lass das«, sagte ich und lachte.
»Larki wird dir vertrauen, nun musst auch du ihm vertrauen.«
Rin saß auf und reichte mir die Hand. Ich ergriff sie zögerlich. Im Nu zog er mich hoch und ließ mich vor sich sitzen. Sanft hielt er mich fest und schnappte sich die Zügel.
»Hast du noch Angst?«
»Ja«, gab ich zu.
»Die brauchst du nicht haben. Ich bin hier.«
Ich atmete tief durch und hielt mich vorsichtig an Larkis Mähne fest. Als sich das Pferd in Bewegung setzte, stieß ich vor Schreck einen leisen Schrei aus, der Rin zum Lachen brachte. »Vertrauen, Stadtmädchen.«
Ich ärgerte mich über mich selbst. Rin hatte durch unsere erste Begegnung wahrscheinlich sowieso schon ein verzerrtes Bild von Großstadtmenschen bekommen, und jetzt lieferte ich ihm neuen Stoff, indem ich mich wie eine dumme Gans anstellte. Noch mal würde mir das nicht passieren.
»Wir gehen nun in leichten Trab über«, erklärte er.
Ich krallte mich in seinen Arm, der fest um meine Taille lag. »Trab« klang nach Geschwindigkeit. Und davor hatte ich panische Angst.
»Bleib ganz locker«, redete Rin mir gut zu.
Tatsächlich merkte ich schnell, dass alles nur halb so schlimm war. Er hielt mich, und wenn ich doch zur Seite zu rutschten drohte, brachte er mich schnell in meine Ausgangsposition zurück. Allmählich gewöhnte ich mich an das Ruckeln.
»Das ist wahre Freiheit.« Er zeigte auf einen Adler, der mit ausgebreiteten Schwingen über uns durch die Luft segelte. »Den holen wir ein«, versprach er. »Heyyaaah!« Er drückte seine Fersen sanft in Larkis Flanken und trieb das Pferd damit zu seiner Höchstgeschwindigkeit an. Das Wettrennen mit dem Adler hatte offenbar seinen Kampfgeist geweckt.
Ich hingegen warf meine guten Vorsätze
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