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Schattenreiter

Schattenreiter

Titel: Schattenreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Nikolai
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erteilt, weil ihr meine Gäste belästigt habt?«, fuhr Tante Abigail dazwischen, die in den Vorgarten gekommen war.
    »Das müssen andere Jungs gewesen sein, wir sind zum ersten Mal hier.«
    »Lügt mich nicht an. Ich habe mir eure Gesichter gemerkt. Und jetzt macht, dass ihr hier wegkommt.« Sie war ziemlich wütend. Ihre Stimme klang laut und kräftig. Selbst Dad wäre nicht gegen sie angekommen, und der hatte ein Organ wie ein Opernsänger. Abigail hätte sicher einen iA-Feldwebel bei der US Army abgegeben. Jedenfalls erzielte ihre Stimme den gewünschten Effekt. Die Jungs schienen so beeindruckt, dass sie tatsächlich den Rückzug antraten.
    »Schon gut, jetzt regen Sie sich mal nicht so auf«, stammelte der Stachelkopf im Gehen. Und so schnell, wie diese Bande gekommen war, so schnell war sie auch wieder verschwunden.
    »Gut gemacht«, meinte ein älterer Herr vom Nachbartisch, und Abigail wischte sich die Hände an der Schürze ab, so, als wären sie schmutzig. Sie nickte nur zustimmend und ging wieder hinein.
    Nach Ladenschluss half ich Abigail, die Stühle hochzustellen, das Geschirr abzuwaschen und den Boden zu wischen.
    »Ohne dich würde ich hier noch bis nach Mitternacht sitzen«, sagte sie dankbar.
    »Kein Problem. Ich helfe dir auch in den nächsten Tagen.«
    »Das ist lieb von dir. Roger will mir auch helfen. Gemeinsam kriegen wir das schon hin.«
    »Dieser Roger ist ein Netter, stimmt’s?« Ich musterte sie sehr genau. Neugierig, ob sie ihn gern hatte. Dass Roger ein Auge auf meine Tante geworfen hatte, war mir schon heute Morgen nicht entgangen. Doch zu meiner Überraschung blieb Abigail ganz ungerührt.
    »Ja. Sicher. Wieso?«
    »Ach, ich hatte den Eindruck, dass er dich mag.«
    Abigail, die gerade den Lappen auswrang, hielt in ihrer Bewegung inne. Abrupt fing sie zu lachen an. »Du hast eine Fantasie, Mädel.«
    »Ich meinte das ernst.«
    »Roger ist Witwer. Seine Frau ist vor anderthalb Jahren gestorben. Es war sehr schwer für ihn. Ich glaube kaum, dass er über den Verlust hinweg ist.«
    Kopfschüttelnd schloss sie die Kasse ab.
    Die Uhr zeigte halb zwölf, als wir endlich mit allem fertig waren.
    Abigail verschwand im Bad und ich in meinem Zimmer, wo ein Teller mit Kuchen für mich bereitstand. Nach der kleinen Stärkung ging auch ich unter die Dusche, machte mich dann bettfertig und schlüpfte unter die Decke. Ich ließ meinen Tag Revue passieren, an dem sich so viel ereignet hatte, dass ich meinte, seit mindestens einer Woche hier zu sein. Unglaublich, wie schnell man sich einlebte.
    Schläfrig rollte ich mich zur Seite und fiel fast augenblicklich in eine Art Dämmerschlaf, halb wach, halb schlafend. Ein Zustand, in dem man glaubte, fast zu schweben. Ich fühlte mich rundum wohl und kuschelte mich in meine Decke, als ich direkt über mir ein Pochen vernahm, das immer lauter und energischer wurde.
    Als ich den Kopf hob, entdeckte ich eine Krähe an meinem Fenster, die mit ihrem Schnabel gegen die Scheibe klopfte. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Vorsichtig öffnete ich das Fenster, aber sie flog weg.
    Und in dem Moment hörte ich das Klirren von Glas. Jemand hatte unsere Scheibe eingeschlagen!
    Ich stürzte in den Flur und stieß fast mit meiner Tante zusammen. Die trug ein Blumennachthemd, eine ArtSchlafmütze auf dem Kopf und hatte zu meinem Entsetzen eine Schrotflinte in der Hand.
    »Um Gottes willen, was hast du damit vor?«, fuhr ich sie an.
    Tante Abigail legte den Zeigefinger auf die Lippen. Wir lauschten ins Dunkel, aber ich konnte nichts hören.
    Abigail winkte mich mit sich und schlich durch den Flur, der mir unendlich lang vorkam. Ich bemühte mich, keinen Ton von mir zu geben und nach Möglichkeit auch keine Diele zum Knarren zu bringen, was bei dem alten Holz nicht gerade leicht war. Irgendwie schafften wir es, geräuscharm zur Treppe zu gelangen.
    »Warte kurz«, flüsterte sie und spähte nach unten.
    Mein Herz klopfte so laut, dass ich fürchtete, ein möglicher Einbrecher würde es hören. Ganz vorsichtig stieg Abigail zwei Stufen hinunter und richtete die Waffe in den unter ihr liegenden Raum.
    »Wer ist da?«, brüllte sie mit ihrer tiefen Stimme, die fast wie die eines Mannes klang. Ich erschrak derart, dass ich ungewollt einen leisen Schrei ausstieß.
    Abigail lief schnell nach unten. Mir blieb vor Angst um sie fast das Herz stehen. Aber dann sagte sie plötzlich ganz gelassen: »Du kannst runterkommen«, und knipste das Licht an.
    Misstrauisch blickte ich mich um,

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