Schattenriss
nicht zu weit , sonst dreht er durch, und du hast gar nichts ...
Doch Goldstein ignorierte die unausgesprochene Mahnung. »Tja, mein Junge, ich schätze, mit sieben Geiseln in der Hinterhand hätten Sie deutlich mehr verlangen können«, setzte er seine lockere Rede unbeirrt fort, während Monika Zierau eilig etwas auf ein DIN-A4-Blatt kritzelte.
AUF DIESE WEISE KRIEGST DU IHN NICHT, las Verhoeven, als die Psychologin das Blatt zu ihnen umdrehte. UND NENN IHN AUF KEINEN FALL »MEIN JUNGE«!
Richard Goldstein schloss die Augen, als ob er auf diese Weise die gut gemeinten Ratschläge seiner Profilerin ganz einfach ausblenden könne. »Hey, Sie sind doch nicht etwa einer von diesen Weltverbesserern, oder?«, wandte er sich wieder an seinen Gesprächspartner. »Sie wissen schon, einer von der Sorte, die gerade so viel nehmen, dass es zum Leben reicht und so weiter ...«
»Nein, ich denke, das bin ich nicht.«
Goldstein seufzte und setzte sein Basecap wieder auf. »Und aus welchem Grund geben Sie sich dann mit so wenig zufrieden, wenn ich fragen darf?«
»Wenig ist ein ziemlich relativer Begriff«, konterte der Mann, der sich Teja nannte. Er war noch immer ruhig, aber etwas an seiner Stimme klang mit einem Mal verändert. So als ob er sich geärgert hätte.
PERSÖNLICHES MOTIV DER GEISELNEHMER BETRIFFT TEJA SELBST, schrieb Goldstein. Und dahinter: VERMUTLICH REICHES ELTERNHAUS.
Verhoeven beobachtete den Kugelschreiber des Unterhändlers, der einen Augenblick zögernd über dem Aktendeckel verharrte. Dann strich Richard Goldstein die drei letzten Worte mit einer entschiedenen Bewegung durch und notierte darüber: VERSUCHT, UNS IN DIE FALLE ZU LOCKEN.
Laut sagte er: »Tja, zwei Millionen haben oder nicht haben, macht wahrscheinlich wirklich einen Unterschied.«
»Dann sind wir uns ja einig«, sagte der Mann am anderen Ende der Leitung.
»Klar doch«, entgegnete Goldstein. »Bis auf die Sache mit den Vorschriften.«
Pause.
»Wenn Sie mich also bitte kurz mit einer der Geiseln ...« »Ich nehme an, dass das Geld inzwischen bereitsteht?«
Pass auf , warnten Monika Zieraus Kohleaugen, er verliert die
Geduld!
»Nebenbei bemerkt: Welcher von den vier Hauptakteuren sind Sie eigentlich?«, überging Goldstein die stumme Mahnung seiner Profilerin auch dieses Mal scheinbar ungerührt, und Verhoeven musste daran denken, was Luttmann erzählt hatte. Goldstein wollte zuerst selbst gehen. Aber Monika hat ihn umgestimmt . Also schickt er diese Beamtin rein. Ohne Weste, versteht sich, damit der Kerl sich auch bloß nicht unnötig provoziert fühlt. Und das hat ihm beileibe nicht nur Sympathien eingetragen, das können Sie glauben. Aber diese Sache in Berlin war doch ein Erfolg, dachte Verhoeven, indem er zu Monika Zierau hinüber sah. Warum hört er nicht auf sie? Welchen Grund könnte er haben, ihrer Einschätzung zu misstrauen? Oder bilde ich mir das alles nur ein?
Verhoeven riss den Blick vom Gesicht der Psychologin los, als ihm schlagartig bewusst wurde, dass Goldstein dem Entführer eine reichlich herausfordernde Frage gestellt hatte. Und dass Teja die Antwort darauf bislang schuldig geblieben war. Welcher von den vier Hauptakteuren sind Sie eigentlich?
Ganz und gar nicht ungeschickt gemacht von Goldstein, dachte Verhoeven. Die Formulierung suggeriert einerseits, dass wir um die Anzahl der Geiselnehmer wissen, und andererseits lässt sie zugleich Raum für die Möglichkeit, dass es noch weitere Komplizen gibt.
»Ich bin der, den unser hoher Rat dazu abgestellt hat, die Rahmenbedingungen mit Ihnen auszuhandeln«, entgegnete der Mann, der sich Teja nannte, in Anspielung auf die Aussage, die Goldstein selbst zu Beginn dieses Gesprächs gemacht hatte.
IQ ÜBERDURCHSCHNITTLICH, kritzelte Goldstein auf seinen Aktendeckel. Laut sagte er: »Mich würde viel mehr interessieren, ob Sie derjenige sind, der den Kassierer erschossen hat.«
Keine Reaktion.
»Oder sind Sie etwa der Kniescheiben-Junkie?« Goldstein lachte. Und zu Verhoevens Bestürzung klang es sogar echt. »Sie wissen schon, Mr. Sommermantel ...«
TREIB ES NICHT ZU WEIT, schrieb Monika Zierau auf ihren Zettel. Dahinter setzte die Profilerin nicht weniger als sieben Ausrufezeichen.
»Sie gehören zu der Sorte, die alles ganz genau wissen will, was?«
Goldstein hob den Kopf. »Ich weiß eben gern, mit wem ich’s zu tun habe.«
Du redest hier nicht mit Jüssen oder sonst einem Beamten
aus deinem Team, dachte Verhoeven, den die Gesprächsführung
des
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