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Schattenriss

Schattenriss

Titel: Schattenriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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her.«
    Der ältere der beiden Kommunikationstechniker kam quer durch das Zimmer gerannt und schob Richard Goldstein einen Zettel hin. ANRUFER IDENTIFIZIERT. GEISELNEHMER BENUTZT EIN PREPAID-HANDY. WARTEN AUF PEILUNGSDATEN VOM PROVIDER.
    Goldstein nickte. »Es tut mir leid«, wandte er sich an seinen Gesprächspartner, »aber das kann eine Weile dauern.«
    »Sie haben Zeit bis heute Nachmittag um fünf. Dann melde ich mich wieder und erteile Ihnen Instruktionen hinsichtlich der Übergabe. Wenn Sie unsere Forderungen nicht erfüllen, stirbt jede Stunde eine weitere Geisel.«
    »Warum Lieson?«, fragte Goldstein, und sämtliche anwesenden Beamten hielten angesichts der Kühnheit dieser Frage erschreckt die Luft an.
    »Weil ich es so will.«
    Der Unterhändler zog einen dicken Kringel um die Worte PERSÖNLICHES MOTIV.
    Keine Experimente mehr , warnten Monika Zieraus Kohlenaugen noch eindringlicher als zuvor. Wenn du jetzt noch weiter gehst, kippt die Sache endgültig . Und wer weiß, was dann geschieht ...
    »Okay«, sagte Goldstein, das Gesicht ganz im Schatten. »Aber so schnell wird das nicht gehen. Herr Lieson ist ...«
    »Siebzehn Uhr«, unterbrach ihn der Mann, der sich Teja nannte. Dann ertönte ein leises Knacken, und die Leitung war tot.
     
     
     

5
     
    Winnie Heller suchte die Innentaschen ihrer Fleecejacke nach einem Taschentuch ab. Und sie hatte tatsächlich Glück: Links oben fand sie wirklich eins, das noch nicht benutzt war.
    Sie stand auf und ging damit zu Evelyns Matratze hinüber. »Hier«, sagte sie. »Vielleicht versuchen Sie’s mal damit.«
    Die korpulente Krankenschwester blickte hoch, und für einen flüchtigen Moment glaubte Winnie Heller etwas wie Verärgerung in den runden Schweinsaugen zu lesen. Dann nahm Evelyn Gorlow ihr wortlos das Taschentuch aus der Hand und presste es gegen die tiefe Schürfwunde an ihrem Knie.
    »Hat dieser Mistkerl Sie geschubst?«
    »Nein, mein Gewicht hat mich nach unten gezogen.« Ein Anflug von Sarkasmus ließ die teigigen Züge hart werden, und Winnie Heller fiel auf, dass Evelyns Stimme erstaunlich tief klingen konnte, wenn sie wollte. Fast wie ein Mann.
    Sie ging neben der Matratze in die Knie und streckte die Hand nach Evelyns zerrissener Hose aus. »Lassen Sie mich mal sehen.« »Ich bin Krankenschwester, schon vergessen?«
    Tja, ich schätze, heute Morgen fehlt mir jegliches Talent zum Kommunizieren, dachte Winnie Heller frustriert, doch sie wollte sich auch noch nicht geschlagen geben. Wenn Walther Lieson und Malina tatsächlich nicht identisch waren, musste Malina zwangsläufig eine der anderen Personen sein, die sich zum Zeitpunkt des Überfalls in der Bankfiliale aufgehalten hatten, aller Wahrscheinlichkeit nach eine der Geiseln. Und unverbindliche Gespräche zu führen war immer eine gute Möglichkeit, Menschen mit einem Geheimnis dazu zu bringen, etwas von diesem Geheimnis preiszugeben. Und sei es nur dadurch, dass man sie bei einer Lüge oder einem Widerspruch ertappte.
    »Hat dieser Bernd Sie geschlagen?«
    Evelyn verzog ihren schmalen Mund zu einem sparsamen Lächeln. »Nein, er hat bloß auf mich geschossen.«
    »Gezielt?«
    »Ich glaube kaum, dass einer wie der danebenschießt«, antwortete Evelyn mit leisem Sarkasmus.
    »Da haben Sie wahrscheinlich recht«, nickte Winnie Heller, indem sie sich ungefragt neben der dicken Krankenschwester auf der Matratze niederließ. »Was glauben Sie, wie Ihr Mann mit der Ungewissheit fertig wird?«
    Das Doppelkinn der Krankenschwester zitterte, während ihr Körper mit einem Hustenanfall kämpfte. »Ich bin nicht verheiratet«, keuchte sie, als sie sich wieder etwas beruhigt hatte. »Sind Sie’s?«
    »Um Himmels willen«, lachte Winnie Heller. »Socken Größe fünfundvierzig waschen und endlose Diskussionen übers Essen führen ...Na, das wäre ja was für mich!«
    Die Blicke der anderen glitten prüfend über ihr Gesicht. »Was, sagten Sie, machen Sie doch gleich beruflich?«
    »Call-Center«, antwortete Winnie Heller arglos. »Aber ganz seriös. Nicht so ein Verein, wo man verwirrte alte Leute anrufen muss, Sie wissen schon, um ihnen für teures Geld irgendeinen nutzlosen Krempel aufzuschwatzen.«
    »Und davon kann man leben?«
    »Mehr schlecht als recht, fürchte ich.«
    Evelyn nickte nur.
    Ihre Mitteilungsbereitschaft ist ja echt enorm, seufzte Winnie Heller im Stillen, als sich hinter ihr unvermittelt Jenna zu Wort meldete.
    »Ich war früher auch mal in einem Call-Center beschäftigt«, erklärte

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