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Schattenriss

Schattenriss

Titel: Schattenriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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Hund auf dem Arm trug und mit erstaunlich flinken Stöckelschritten jede noch so kleine Unebenheit umtänzelte, und am liebsten hätte er ihr mitten in ihren versnobten Rücken geschossen.
    Stattdessen trat er noch ein Stück näher an das Geländer heran und warf einen Blick auf seine Uhr. Im Grunde hasste er es, wenn er warten musste. Und noch mehr hasste er es, von anderen abhängig zu sein. Auf Zeichen zu warten. Einsatzbefehle. Grünes Licht. Mangelnde charakterliche Eignung, hieß so etwas dann in der Personalakte. Zumindest, wenn man einen Vorgesetzten hatte, der entschlossen war, seine Untergebenen für die eigenen Fehler geradestehen zu lassen, um glatt und unbehelligt Karriere machen zu können. Aber er tröstete sich mit dem Wissen um die Macht, die er hatte. Das Schicksal seiner Kameraden lag in seiner Hand, im wahrsten Sinne des Wortes. Und wenn er nicht tat, was sie verabredet hatten, würde es für die drei anderen verdammt schwierig werden ...
    Ich schätze, ihr solltet mir ein bisschen mehr Respekt entgegenbringen, dachte er, indem er Ausschau nach der Frau mit dem Puppenhund hielt, die er zwischenzeitlich aus den Augen verloren hatte. Schließlich entdeckte er sie auf Höhe des altehrwürdigen Palasthotels, aber trotz der beachtlichen Entfernung hatte er das Gefühl, dass er selbst winzigste Details ihres Outfits erkennen konnte. Und das, obwohl ihm die tief stehende Sonne direkt ins Gesicht schien.
    Präzision, dachte er.
    Unauffälligkeit, Genauigkeit, Timing.
    Er überprüfte den Sitz seiner Sonnenbrille und kam sich vor wie Antonio Banderas in diesem Film ... Wie hieß der noch gleich? Es ging um zwei Auftragskiller, die einander zunächst Konkurrenz machten, um sich schließlich einen zermürbenden Nervenkrieg um die Gage für den letzten Auftrag zu liefern. In diesem Film, dessen Titel ihm nicht einfiel, gab es eine Szene, in der Antonio Banderas mit schussbereiter Waffe am Fenster irgendeines heruntergekommenen südamerikanischen Hotels steht und darauf wartet, dass Silvester Stallone das gegenüberliegende Bankhaus verlässt. Banderas weiß genau, dass Stallone kommen wird, dass er kommen muss , und er wartet sehnsüchtig auf diesen einen, diesen magischen Augenblick, in dem das Herz seines Gegners genau im Fadenkreuz seiner Waffe auftaucht.
    Er hingegen würde lediglich auf ihre Beine zielen. Auf die Kniescheiben, um genau zu sein. Sicher, viel lieber hätte er ihnen mitten in ihre versnobten Leiber gefeuert, aber Teja war dagegen gewesen. Wenn wir sofort töten, hatte er gesagt, verliert unser Druckmittel an Überzeugungskraft. Dann werden sie denken, dass wir die Geiseln ohnehin erschießen, und sie werden nicht tun, was wir von ihnen verlangen.
    Das hatte ihn überzeugt.
    Eine Sache von Prioritäten.
    Erst das Geld, dann das Vergnügen. Oder so ähnlich ...
    Wie zur Bestätigung ertönte in diesem Augenblick das Alarmsignal seines Handys. Er riss sich den Knopf aus dem Ohr, zog die Automatik unter seinem Mantel hervor und blickte ein letztes Mal auf die Menschen hinunter, die im Licht der untergehenden Sonne über den Platz wimmelten.
    Dann drückte er ab.
    Er schoss gezielt und doch wahllos. Ihm war nicht daran gelegen, ganz bestimmte Personen zu treffen oder zu verschonen. Was zählte, war einzig und allein das Ergebnis.
    Eine junge Frau in schwarzen Leggins und mintfarbenem Minirock fasste sich ans Schienbein, und für ein paar flüchtige Sekunden konnte er ihren fassungslosen Blick sehen, den der Schmerz noch nicht erreicht hatte. Was war das? , schienen ihre Augen zu fragen. Was, um alles in der Welt, geschieht da mit mir?
    Andere knickten einfach weg.
    So als habe ihnen irgendjemand von hinten in die Kniekehlen getreten.
    Er grinste und vollführte auf den Absätzen seiner Lederschuhe eine Drehung um exakt fünfundvierzig Grad. Man hätte einen Zirkel daran halten können. Es hätte gestimmt. Dann feuerte er aufs Neue in die Menge.
    Auf der anderen Seite des Platzes schrie ein Mann vor Entsetzen laut auf, bevor er wie ein nasser Sack auf die Knie sank. Ein anderer drehte sich zu dem Verletzten um und starrte ihn ungläubig an. Die Frau neben ihm blieb ebenfalls stehen.
    Er zielte auf ihre Wade und feixte, als auch sie zusammenbrach. Sekundenbruchteile später plärrte ihr heiseres Kreischen quer über den Platz, er sah, wie der Fluss der Menschen ins Stocken geriet, wie einige die Köpfe schüttelten, andere sich angstvoll umschauten auf der Suche nach einer Ursache, einer

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