Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenschmerz

Schattenschmerz

Titel: Schattenschmerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Gerdts
Vom Netzwerk:
ankämpfen. Dabei bewegte sie sich ausgesprochen gern im Wasser und konnte exzellent schwimmen. Um ihre Ängste in den Griff zu bekommen, hatte sie sich kurz entschlossen für einen Tauchkurs auf Korsika angemeldet.
    Es war eine nette Gruppe gewesen. Bis auf ein Paar alles Singles zwischen Ende 30 und Anfang 50. Die meisten von ihnen Männer. Nach solchen Gruppen hielt sie sonst immer vergeblich Ausschau. Doch in diesem Sommer war sie viel zu sehr mit ihrer Angst vor dem Tauchen beschäftigt gewesen, um die Teilnehmer wie üblich in die Kategorien ‹interessant› oder ‹uninteressant› einzuteilen. Natürlich erzählte sie niemandem etwas von ihren Panikattacken. Auch dem Tauchlehrer nicht. Niemand bemerkte ihre Angst. Nur Frank hatte sie vor dem ersten Tauchgang prüfend angeschaut und gefragt, ob alles in Ordnung sei. Er senkte dabei seine Stimme, sodass keiner der anderen seine Frage verstehen konnte.
    Chris versuchte, einen Scherz zu machen und ihre Unruhe zu überspielen. Aber er tat ihr nicht den Gefallen und lachte mit, sondern schaute sie nur aus seinen durchdringenden Augen an und sagte ernst: «Du bist da unten nicht allein.»
    Der Satz hatte eine seltsame Wirkung entfaltet.
    Chris spürte in dem Moment, dass sie nicht nur in der Tiefe des Meeres nicht allein sein wollte, sondern überhaupt nicht mehr. Sie wollte endlich wieder jemanden haben, der morgens neben ihr aufwachte, mit dem sie Pläne schmieden und sich auf eine gemeinsame Zukunft freuen konnte.
    Als sie später in acht Meter Tiefe hektisch anfing, mit Händen und Füßen zu rudern, nur um möglichst schnell wieder nach oben ans Tageslicht zu kommen, war Frank sofort da und hatte ihre Hand gefasst. Nicht zu fest und nicht zu weich. Die andere Hand legte er auf ihre Schulter und drehte sie so, dass sie ihn durch die Taucherbrille hindurch ansehen musste. Chris hätte schwören können, dass er dabei lächelte.
    Das war der Moment, in dem sie wusste, dass sie Frank Steenhoff nie mehr hergeben wollte.
    Als sie wieder an Land waren, begann Chris, ihn systematisch zu umwerben. Zunächst mit leisen Gesten und Andeutungen, dann mit Blicken, die einen Moment zu lange dauerten und dem Gegenüber im Gedächtnis blieben, ohne etwas zu versprechen. Der Mann sollte bei ihrem Spiel der Jäger und Regisseur bleiben. Was ihre Beute jedoch nicht ahnte, war, dass Chris das Drehbuch dazu schrieb.
    Sie war gut darin. Intuitiv gelang es ihr, sich auf einen Mann, den sie begehrte, restlos einzustellen. So gut, dass sie seine Hobbys und Interessen irgendwann selbst wirklich spannend fand.
    Wie nicht anders zu erwarten, war Frank Steenhoff überrascht, dass sie so viele gemeinsame Interessen teilten. Natürlich fühlte er sich geschmeichelt. Die meisten Männer suchten einen Spiegel, in dem sie sich wiedererkannten, und kein Gegenüber. Und Chris Lorenz hatte im Laufe der Jahre ihre Fähigkeiten perfektioniert, diese Sehnsucht zu erfüllen.
    Am Ende des Tauchkurses hatte sie ihr Ziel erreicht. Diese Nacht würde er nie vergessen.
     
    Natürlich war Frank bei der Verabschiedung auf dem Flughafen wieder auf Distanz gegangen. Alle verheirateten Männer reagierten so. Das übliche schlechte Gewissen. Wie einfach sie zu durchschauen waren! Aber Chris Lorenz wusste, dass sich schon bald wieder die Lust in ihm melden würde. Er brauchte nur noch einen Vorwand, um wieder Kontakt zu ihr aufzunehmen. Und sie würde darauf eingehen. Ohne zu viel zu verlangen. Zumindest nicht am Anfang.
    Diesmal würde sie keinen Fehler machen.
    Doch entgegen ihrem Vorsatz hatte sie nicht abgewartet und Frank Steenhoff zappeln lassen, sondern ihn selbst angerufen. Zweimal hatten sie seitdem telefoniert. Es waren kurze Gespräche am Handy gewesen, ohne die Wärme, die sie in ihrer gemeinsamen Nacht auf Korsika in seiner Stimme gehört hatte. Vermutlich stand ein Arbeitskollege in seiner Nähe. Aber Chris gefiel es, wie er manche Wörter, die ihm wichtig waren, betonte. Selbst auf dem Band seines Anrufbeantworters hörte sie Franks geheimnisvolle Seite heraus, wenn er darum bat, eine Nachricht zu hinterlassen. Immer wieder hatte sie angerufen, nur um seine Stimme zu hören. Einmal nahm seine Frau ab. Da legte Chris Lorenz schnell wieder auf.
    Jetzt war eigentlich Frank dran, sich zu melden. Aber vermutlich drehten sich seine Gedanken nur noch um die Attentäter von Bremen. Chris Lorenz schaltete ihren Computer ein und klickte sich bis zu den aktuellen Online-Nachrichten ihrer

Weitere Kostenlose Bücher