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Schattenschmerz

Schattenschmerz

Titel: Schattenschmerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Gerdts
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Alkoholrausch zu tun oder mit tödlich endender Eifersucht. Schon Sexualmorde waren eine Ausnahme. Aber dieser Fall passte in kein Muster, das er kannte. Und nun auch noch ein philosophisch angehauchter Täter!
    «Was weißt du über Konfuzius?»
    «Der Mann hat etwa 500 vor Christus in China gelebt. Sein alles bestimmendes Thema war die Ordnung, die seiner Meinung nach nur durch die Achtung vor anderen Menschen zu erreichen sei.» Chris räusperte sich. «Konfuzius’ Ideal war der moralisch einwandfreie Mensch. Diesem Ideal, so seine Lehre, sollte jeder Schüler möglichst nahe kommen. Er selbst sah sich übrigens noch weit entfernt davon.»
    «Woher weißt du das alles?»
    «Ich habe mir vor meiner Ausbildung zur Physiotherapeutin ein paar Semester Philosophie gegönnt. Eigentlich hätte ich das gern zu Ende studiert, aber davon kann man ja nicht leben.»
    «Hat Konfuzius auch mal etwas zu einem Ort namens Paghman gesagt?»
    Chris Lorenz bat Steenhoff, den Namen zu buchstabieren. Aber sie hatte von der Stadt noch nie gehört.
    Sie verabredeten sich für die nächste Woche. Und Steenhoff bat Chris Lorenz, ihn künftig nur noch auf Handy anzurufen. «Da kriegst du mich am besten.»
    Nachdem er aufgelegt hatte, ärgerte er sich, dass er ihr nicht den wahren Grund gesagt hatte. Sie sollte sich nicht bei ihm zu Hause melden, weil das Haus im Moor zu seinem und Iras Leben gehörte. Chris Lorenz hatte darin nichts zu suchen.
    Steenhoff speicherte ihre Nummer in seinem Handy und schrieb sie vorsichtshalber auch noch in sein altes Notizbuch, in dem er alle wichtigen Adressen und Geburtstage vermerkte. Nur wenige Seiten des Buches waren gefüllt. Und zu so manchen Leuten, deren Anschriften er vor Jahren dort einmal notiert hatte, hatte er heute keinen Kontakt mehr. Letztlich waren nicht mehr als knapp ein Dutzend Menschen überhaupt von Bedeutung für ihn.
    Ira kam ihm in den Sinn. Was das Thema Freundschaften betraf, waren sie beide grundverschieden. Sie scharte einen großen Bekanntenkreis um sich und pflegte ihre Kontakte. Wie selbstverständlich bezog sie ihn bei vielen Treffen mit ein. Sie hatten nie direkt darüber gesprochen, aber ohne Ira und seine Tochter Marie würde Frank vermutlich Gefahr laufen, sich völlig zurückzuziehen.
    Verdächtige und Zeugen wusste Steenhoff dagegen intuitiv zu nehmen und für seine Fragen zu öffnen. Nur selten fand er keinen Zugang zu ihnen. Doch im Alltag fiel es ihm schwer, eine Verbindung zu Menschen länger aufrechtzuerhalten.
    Er dachte an Chris Lorenz und stellte sich vor, wie es sein würde, wenn er ihr in seinem Haus einen Kaffee kochen würde. Oder wie sie sich irgendwo in der Stadt träfen. Vielleicht würde er ihr eine Kopie des Erpresserbriefs zeigen. Die Vorstellung, dass sie bei ihrem nächsten Treffen vor allem über den aktuellen Fall reden würden, hatte etwas Beruhigendes für ihn.

[zur Inhaltsübersicht]
    15
    Am nächsten Morgen lag die linguistische Auswertung vom BKA vor.
    Der Experte hatte eine mehrseitige Expertise über die wenigen Sätze des Attentäters angefertigt. In ihrer ersten Besprechung an diesem Tag fasste Steenhoff die Ergebnisse zusammen: «Wer immer das Schreiben aufgesetzt hat, ist Muttersprachler und besitzt einen hohen Bildungsgrad.»
    Der BKA -Mann ging davon aus, dass der Täter jünger war. Eine regionale Zugehörigkeit war aus dem Schreiben an die Presseagentur nicht zu erkennen.
    Sie verabredeten sich erneut für den Nachmittag, dann fuhren Steenhoff und Petersen zu
EvG-Technology
.
    Wie sich herausstellte, kannte Petersen den heutigen Firmenchef, Hasso von Germershausen, flüchtig. Sie waren sich im Zusammenhang mit dem Suizid eines früheren Mitarbeiters von
EvG-Technology
begegnet. «Bis vor ein paar Jahren führte noch sein Vater das Unternehmen», erzählte sie Frank Steenhoff, als dieser den Wagen auf das gutgeschützte Firmengelände lenkte. «Damals hieß das Unternehmen noch
EvG-Wehrtechnik
. Der Alte, Ernst von Germershausen, war ein dominanter, herrischer Mensch. Sein Sohn hatte nichts zu melden.»
    Hasso von Germershausen empfing sie in seinem geräumigen, lichtdurchfluteten Büro im obersten Stockwerk des Verwaltungsgebäudes. Der Firmenchef telefonierte, als die Sekretärin die beiden Besucher in sein Büro führte.
    Von seinem Schreibtisch hatte man einen beeindruckenden Blick auf die Weser und die fernen Domtürme in der Altstadt. Hasso von Germershausen winkte ihnen kurz zu und machte den Kommissaren ein Zeichen, sich an

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