Schattenschmerz
den runden Konferenztisch rechts von seinem Schreibtisch zu setzen. Dann drehte er ihnen den Rücken zu und schien sich wieder voll und ganz auf seinen Gesprächspartner am Telefon zu konzentrieren.
«Darf ich Ihnen Kaffee, Tee oder vielleicht ein Wasser bringen?», erkundigte sich Sigrid Werlemann freundlich. Beide Besucher entschieden sich für Wasser, und die Sekretärin ging hinaus, um die Getränke zu holen.
Als sie kurz darauf mit einem Tablett zurückkehrte, lachte Hasso von Germershausen gerade leise auf. Es schien um eine Terminabsprache am kommenden Wochenende zu gehen. Offenbar wollte er sich zum Golfen verabreden. Trotz der beiden wartenden Polizeibeamten schien er völlig entspannt zu sein. Mehrfach kratzte er sich während des Telefonats mit einem Stift genüsslich am Hinterkopf.
Steenhoff verschränkte die Arme und starrte mit ausdrucksloser Miene auf eine weiße Schrankwand, die perfekt in eine Nische des Raumes eingepasst war.
Als sie ihren Kollegen aus den Augenwinkeln musterte, wusste Petersen, dass von Germershausen den Bogen überspannt hatte. Im selben Moment verabschiedete sich der Unternehmer von seinem Gesprächspartner, sprang auf und eilte mit übertriebenem Lächeln auf die beiden Beamten zu.
«Ich bitte vielmals um Entschuldigung, dass ich Sie habe warten lassen», sagte er zur Begrüßung und deutete auf die beiden Gläser auf dem Tisch. «Ich sehe, meine Sekretärin hat Sie bereits bestens versorgt.» Er goss sich selbst einen Kaffee in eine Porzellantasse ein und rührte scheinbar voller Konzentration ein Stück Würfelzucker hinein. «Wie kann ich Ihnen weiterhelfen?»
Sein Ton klang gönnerhaft. Auffordernd sah er die Beamten an, als wollten sie mit ihm ein Geschäft abschließen. Dabei blieb sein Blick einen Moment zu lang auf Petersen haften.
Steenhoff stützte seine Ellenbogen auf, legte sein Kinn auf die ineinander verschränkten Hände und taxierte den Unternehmer wortlos. Hasso von Germershausen hob fragend die Augenbraue. Als Steenhoff nicht reagierte, wandte er sich an Petersen und zuckte ironisch mit den Achseln. Der Bündnisversuch lief ins Leere. Schweigend sah Petersen den Unternehmer an. Nichts in ihrer Mimik verriet, was in ihr vorging.
«Nun, als Unternehmer muss ich zwar vorausschauend handeln, aber hellsehen kann ich leider nicht», versuchte von Germershausen die ungewöhnliche Situation mit einem Scherz zu entkrampfen. «Also, womit kann ich helfen?»
Steenhoff genehmigte sich in aller Ruhe einen Schluck Wasser und registrierte, wie sein Gegenüber unruhig die Beine übereinanderschlug. Die Kiefermuskulatur in seinem hageren Gesicht arbeitete. Als Steenhoff das Glas wieder vor sich auf den Tisch stellte, fragte er unvermittelt: «Es gibt Dutzende von Rüstungsunternehmen allein in Norddeutschland. Was meinen Sie, Herr von Germershausen, woran liegt es, dass eine Gruppe von Attentätern so viel Wut gerade auf
Ihr
Unternehmen entwickelt, dass sie in einem kleinen Park in der Neustadt eine Sprengfalle versteckt und Ihnen dafür die Verantwortung zuschiebt?»
Hasso von Germershausen lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. Blitzschnell hatte er ein neues Mienenspiel aufgesetzt. Jetzt wirkte er betroffen und nachdenklich. «Wissen Sie, diese Frage stelle ich mir pausenlos, seitdem sich die Täter bei den Medien gemeldet haben.» Er rieb sich das Kinn.
‹Die Denkerpose›, durchfuhr es Petersen. Widerwillen stieg in ihr auf. «Und zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?», fragte sie ruhig.
«Trittbrettfahrer», antwortete Hasso von Germershausen. «Leute, die meinem Unternehmen schaden wollen und ihre Chance wittern.»
Steenhoff sah ihn zweifelnd an. «Sie sprechen von Konkurrenten?»
«Nein!» Er hob abwehrend seine gepflegten Hände. «Spontis. Sogenannte Friedensfreunde. Diese Gruppe, die seit Jahren jeden Mittwochmittag eine Mahnwache auf dem Marktplatz hält … Was weiß ich?» Beinahe trotzig fügte er noch hinzu: «In Bremen stehen an jeder Ecke Rüstungsgegner, die nur an ihre eigene Wahrheit glauben. Träumer, Illusionisten …» Er brach mitten im Satz ab. «Entschuldigung, die letzten Stunden sind nicht spurlos an mir vorbeigegangen.»
«Das kann ich mir vorstellen», erwiderte Steenhoff mitfühlend. Er lächelte den Firmenboss an. «Gut, dass Sie am Wochenende für ein wenig Entspannung sorgen und sich zum Golfen verabreden konnten.»
Hasso von Germershausen sah Steenhoff überrascht an. Vergeblich versuchte er, in dem Gesicht des
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