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Schattenschmerz

Schattenschmerz

Titel: Schattenschmerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Gerdts
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Sie forderte den jungen Mann auf, um 16 Uhr pünktlich wieder in ihrem Büro zu sein. Dann wollten sie ihre Ergebnisse zusammentragen.
    Der Volontär nickte zustimmend, streifte sich eine Jacke über und machte sich auf den Weg.
    Andrea schnaubte verächtlich. Sie war gereizt. Alles zu dem Fall sollte über ihren Schreibtisch laufen. So war es verabredet gewesen. Stattdessen fuhrwerkten plötzlich alle in ihrem Bereich herum und entschieden ohne sie. Andrea hatte nichts gegen Unterstützung. Aber die Themen mussten mit ihr abgesprochen werden.
    Sie verspürte einen großen Druck auf der Blase. Als sie hinauslief, hörte sie ihr Telefon klingeln. Das musste warten.
    Sie lief auf die Toilette und ließ sich erschöpft auf dem Klorand nieder. Die hellgrünen Kabinenwände erschienen Andrea wie ein Schutz. Hier war sie sicher. Keine Anrufe, keine Mails, keine neuen Aufträge. Unerreichbar für alle. Endlich einen Moment Ruhe.
    Andrea blieb ein paar Minuten länger als nötig in der Damentoilette und versuchte, ihre Gedanken zu sortieren. Während sie sich die Hände wusch, fiel ihr Blick in den Spiegel.
    Sie konnte nicht glauben, was sie sah: Fast 100 Euro hatte sie am Wochenende ausgegeben, um ihre widerspenstigen Haare endlich einmal in eine modische Frisur zu zwingen. Sie hatte bei dem hippen Friseur in der Nähe des Marktplatzes zwischen Young Stylist, Art Director und Top Stylist wählen können. Der Creative Director fiel von vorneherein aus. Zu teuer. Andrea hatte schließlich Art Director Sven gebucht. Der Friseur war pausenlos plappernd mit der Schere um sie herumgewirbelt. Hingebungsvoll föhnte er danach stundenlang ihr Haar und betonte, dass ein guter Schnitt wie von allein falle. Am Ende nebelte er sie, ohne zu fragen, mit Haarspray ein. Sein Schnitt benötigte offenbar doch viel Chemie, bis er richtig saß. Aber tatsächlich hatte Andrea anschließend sehr verändert ausgesehen.
    Andrea schüttelte ihre Haare und musterte sich kritisch im Spiegel, drehte den Kopf leicht nach rechts, dann nach links, warf ihn mit einem Ruck nach hinten und blickte erneut voller Hoffnung in ihr Spiegelbild. Doch die Andrea Voss, die ihr entgegenschaute, sah mit den zu allen Seiten abstehenden Haaren aus wie eh und je: wuselig.
    «Pah! Art Director …», murmelte sie abfällig und öffnete die Tür der kleinen Kabine. Sie nahm sich vor, den Schnitt zu reklamieren. Insgeheim wusste sie jedoch, dass sie vermutlich nie den Mut dazu haben würde.
     
    Als sie an ihren Tisch zurückkehrte, sah sie auf dem Display ihres Handys, dass Steenhoff schon geantwortet hatte. Erwartungsvoll öffnete sie die SMS . Aber sie wurde enttäuscht.
    «Hallo, Andrea, melde mich bei dir, sobald ich Zeit finde. Paghman können wir uns bislang auch nicht erklären. Gruß Frank.»
    Mist. Steenhoff hielt sie hin.
    Andrea schnappte sich ihre Tasche, stopfte einen neuen, unbenutzten Schreibblock hinein und suchte nach ihren Autoschlüsseln. Fünf Minuten später fuhr sie in ihrem blauen Smart vom Hof des
Weser-Kuriers
in Richtung Polizeipräsidium.
     
    Als sie am frühen Nachmittag in die Redaktion zurückkehrte, hatte Andrea mit Mühe Stoff für einen Dreispalter zusammen. Sie hatte bei den Delaborierern schon nach wenigen Minuten gemerkt, dass die Männer ihr nichts Neues verraten würden. Ganz gleich, wie sie ihre Fragen formulierte, es blieb bei allgemeinen Informationen, die sie sich genauso gut aus dem Internet hätte zusammensuchen können.
    ‹Reine Zeitverschwendung›, dachte sie unwillig. Vermutlich konnten Jan und der Volontär mit wesentlich spannenderen Details aufwarten.
    Doch ihr Kollege wirkte ebenfalls unzufrieden, als er nachmittags über sein Treffen mit Hasso von Germershausen berichtete. Der Chef von
EvG-Technology
hatte darauf herumgeritten, dass sein Unternehmen auf intelligentere Waffen als auf Landminen setze. Minen könnten schließlich Freund von Feind nicht unterscheiden. Die Tatsache, dass
EvG-Technology
in früheren Jahren selbst Minen entwickelt und exportiert hatte, bestätigte er nur auf Nachfrage. Dieses Kapitel sei lange beendet, war er dem Reporter barsch über den Mund gefahren.
    «Wir sollten das Interview trotzdem groß bringen», schlug Andrea vor. «Unsere Leser wollen wissen, welches Gesicht für
EvG
steht.»
     
    Kurz vor 20 Uhr überflog Andrea Voss noch ein letztes Mal auf ihrem Bildschirm die beiden Seiten, die sie gemeinsam produziert hatten. Der Chefredakteur hatte immer wieder an den Überschriften

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