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Schattenschmerz

Schattenschmerz

Titel: Schattenschmerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Gerdts
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an warmen Sommer- und Herbsttagen unzählige Menschen. Doch um diese Zeit lagen die Künstler und Kneipiers vermutlich alle noch im Bett.
    Energisch drückte Navideh auf die mittlere Klingel am Haus und wartete ungeduldig. Nichts rührte sich. Beim zweiten Mal hielt sie den Knopf sekundenlang gedrückt.
    ‹War Andrea Voss vielleicht schon im Büro?›, fragte sich Navideh und wollte gerade ein drittes Mal klingeln, als sie eine verschlafen wirkende Frau im Bademantel zur Haustür kommen sah.
    Verwundert öffnete die Journalistin die Tür. Beide Frauen gingen seit dem Vorfall auf der Farm freundschaftlich miteinander um. Dennoch hatte Navideh die Reporterin nie zuvor zu Hause besucht.
    «Navideh! Ist etwas passiert?» Andrea Voss schaute ihre Besucherin irritiert an, gähnte hingebungsvoll und fuhr sich mit allen zehn Fingern durch die Haare.
    «Ist Frank schon hier?»
    «Frank Steenhoff? Nein, natürlich nicht. Wieso sollte er?», fragte sie.
    Als Antwort zog Petersen den Zeitungsartikel aus der Tasche.
    Die Augen der Journalistin leuchteten auf. «Ach, deswegen die Aufregung. Habe ich also ins Schwarze getroffen! Zugegeben, die Geschichte ist ein bisschen gewagt», begann sie plötzlich munter loszuplappern. «Aber ich habe auch ein Fragezeichen in der Überschrift durchgesetzt. Machen wir ja eigentlich nicht mehr. Ich meine, Fragezeichen auf der Titelseite sind neuerdings nicht mehr erlaubt. Wir sollen unseren Lesern Antworten geben und keine Fragen stellen. Ehernes Gesetz der Chefredaktion.»
    Sie öffnete die Tür vollständig, um Petersen eintreten zu lassen. Dann lief sie die Treppe zu ihrer Wohnung hinauf und rief: «Willst du Tee oder lieber Kaffee?»
    Navideh folgte ihr in die Küche und beobachtete, wie Andrea Voss den Herd anstellte und Wasser aufsetzte. Anschließend öffnete die junge Frau eine Plastiktüte, nahm vier Croissants heraus, legte zwei davon auf den Toaster und versuchte, den verklemmten Hebel herunterzudrücken. Wie selbstverständlich stellte sie für ihren Gast ein weiteres Frühstücksgedeck auf den Tisch.
    «Ein oder zwei Croissants für dich?»
    Ohne eine Antwort abzuwarten, hatte sich die Journalistin schon wieder umgedreht und suchte im Kühlschrank nach etwas Essbarem. «Ich muss endlich mal wieder zum Einkaufen kommen», murmelte sie verdrossen.
    Navideh Petersen bemühte sich, ruhig zu bleiben: «Andrea, wer hat dir den Hinweis gegeben?»
    «Informantenschutz», antwortete sie abwesend.
    Plötzlich drehte sie sich triumphierend um, hielt ein halbvolles Glas Honig in der einen und eine kümmerliche Käseecke in der anderen Hand. «Ich wusste doch, ich hatte noch etwas Leckeres.»
    Als sie Petersens Blick auffing, verschwand ihr Lächeln. «Meine Güte, Navideh. Ist das hier eine Vernehmung, oder was soll das werden?»
    Navideh Petersen unterdrückte mühsam ihre Ungeduld. «Weißt du eigentlich, was wir seit Mittwoch angestellt haben, um herauszufinden, worum es sich bei diesem verdammten Paghman handelt, und vor allem, was dort passiert ist? Und dann schlage ich morgens die Zeitung auf und lese, dass Paghman eine Region im Nordosten Afghanistans ist, wo 1993 rund 50 Schulkinder von einer Landmine schwer verletzt beziehungsweise getötet wurden.»
    Andrea Voss zuckte mit den Schultern. «Könnte doch passen, oder?»
    Sie verstand immer noch nicht, warum Petersen so aufgewühlt war. Sollten die Ermittler doch froh sein, dass sie die Information ausgegraben hatte. Obwohl sie sich insgeheim eingestehen musste, dass sie dazu nur indirekt beigetragen hatte.
    «Andrea, dein Hinweisgeber kann etwas mit dem Anschlag zu tun haben!»
    Die Journalistin reagierte empört: «Farid? Niemals. Ich hab mit ihm zusammen …» Sie brach ab. «Entschuldige. Ich kenne den Mann von früher. Er hat mich darum gebeten, seine Identität nicht preiszugeben. Er will aber helfen. Deswegen hat er sich bei mir gemeldet. Farid … ich meine, mein Informant stammt aus der Gegend von Paghman im Nordosten Afghanistans. Er ist zum Studieren nach Deutschland gekommen und hat selbst erst wieder an das Unglück gedacht, als er in den Nachrichten von dem Bekennerschreiben hörte und der Name des Ortes fiel. Da hat er mir eine Mail ins Büro geschickt.»
    Petersen hörte aufmerksam zu. «Erzähl weiter.»
    «Irgendwann im Sommer 1993 ist in der Region in Afghanistan ein vollbesetzter Bus mit Kindern über eine im Boden vergrabene Anti-Fahrzeugmine gefahren.» Andrea Voss verschränkte die Arme vor der Brust. «Die

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