Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenschmerz

Schattenschmerz

Titel: Schattenschmerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Gerdts
Vom Netzwerk:
gefeilt, doch jetzt konnten die Seiten endlich ins Korrektorat gehen.
    Sie klickte auf das Feld «hohe Auflösung» auf dem Desktop und danach auf Drucken. Der alte Drucker benötigte immer etwas Zeit, um die DIN -A3-Seiten auszuspucken.
    Bevor sie ihren Computer ausschaltete, warf Andrea noch einen flüchtigen Blick in ihren elektronischen Posteingang. Drei Bitten um Rückrufe, diverse Anfragen von Journalisten aus anderen Städten, Agentur-Berichte zum Attentat, eine Einladung zu einem 40. Geburtstag und der Gruß eines früheren Kommilitonen, an den Andrea sich nicht mehr erinnern konnte. Nichts, was nicht bis zum nächsten Tag warten konnte.
    ‹Ein, zwei Mails kann ich noch abarbeiten›, dachte Andrea und klickte entgegen ihren Gewohnheiten auf die zuletzt eingegangene Nachricht.
    Ohne allzu großes Interesse überflog sie die ersten Zeilen. Der Kommilitone behauptete, sie hätten einst mehrere Monate während des Studiums gemeinsam in einer großen Wohngemeinschaft in Hamburg gelebt. Ob sie sich an ihn erinnern könne, wollte er wissen und hatte höflich hinzugefügt, dass er ihre Arbeit seit Jahren in der Zeitung verfolge und ihre Artikel sehr schätze. Die üblichen Floskeln.
    Andrea übersprang zwei Sätze. Was wollte er von ihr? Sie konnte sich an keinen Farid erinnern. Es ging damals ziemlich chaotisch zu in der WG . Ständig waren Leute ein- und ausgezogen.
    Lustlos las Andrea weiter. Doch plötzlich schnellte die Journalistin von ihrem Stuhl nach vorn. Mit einem Schlag war all ihre Müdigkeit verflogen.
    «Paghman!»
    Atemlos überflog sie die Mail bis zum Schluss. Dann griff sie zum Telefon.

[zur Inhaltsübersicht]
    17
    Navideh Petersen konnte nicht glauben, was ihr der aufgeregte Pressesprecher morgens um sieben auf die Mailbox gesprochen hatte.
    Sie stieß einen Fluch auf Persisch aus und drückte auf Rückruf. Doch bei Lars Diepenau war besetzt. Vermutlich informierte er gerade Steenhoff oder den Kripo-Chef höchstpersönlich.
    Wieso vergaß sie bloß so häufig in letzter Zeit, ihr Handy einzustecken? Sie war zwar nur Brötchen holen gewesen, aber seit Montag hatte sie permanent das Gefühl, wieder etwas gutmachen zu müssen. Nichtsahnend hatte sie bei einer Tasse Tee auf die Lieferung ihrer neuen Stühle für den Esstisch gewartet, während ihre Kollegen zu dem Anschlag in die Bremer Neustadt geeilt waren. Noch immer ärgerte sie sich, Frederike Balzer einen neuen Grund für ihre gehässigen Bemerkungen gegeben zu haben.
    Noch einmal versuchte sie, Lars Diepenau zu erreichen. Doch bei dem Pressesprecher war weiter besetzt.
    Navideh schlug hastig die Lokalseiten des
Weser-Kuriers
auf, die sie sich gerade beim Bäcker gekauft hatte. Zwei ganze Seiten drehten sich um den Anschlag. Aber Navideh suchte vergeblich nach dem Artikel, von dem Lars Diepenau auf ihrer Mailbox gesprochen hatte. Hier stand kein Wort über Paghman.
    Ihr Blick fiel auf die erste Politikseite. Eine verheerende Sintflut in Asien mit Hunderttausenden Obdachlosen bestimmte die Schlagzeilen. Sie stutzte. Da! Direkt unter dem Zeitungsbruch stand der Artikel, nach dem sie gesucht hatte.
    «Bremer Attentäter mit Verbindung nach Afghanistan? Hinweisgeber verweist auf lang zurückliegendes Unglück in dem Vielvölkerstaat.»
    Ihr Herz begann zu rasen. Navidehs Blick fiel auf den Namen der Autorin. Natürlich: Andrea Voss mal wieder.
    Hastig las sie weiter. Kaum hatte Navideh den letzten Satz gelesen, sprang sie von ihrem Küchentisch auf, riss ihre Tasche vom Haken und rannte die mit einem roten Läufer ausgelegte breite Treppe des Hauses hinunter. Noch im Laufen gab sie Steenhoffs Nummer ins Handy ein. Aber er ging nicht ran. Vermutlich war er, wie jeden Morgen, joggen. Sie hinterließ ihm eine Nachricht auf seiner Mailbox, dann schloss sie die Tür zum Souterrain der alten Villa auf.
    ‹Noch einmal komme ich nicht zu spät›, schoss es Navideh durch den Kopf. Keinesfalls wollte sie Frederike Balzer Gelegenheit geben, sie mit spitzen Bemerkungen zu überziehen und sie bei den anderen in der Mordkommission schlechtzumachen.
    Navideh holte ihr Mountainbike aus dem Fahrradraum und schwang sich auf den Sattel. Wenig später bog sie auf dem Bürgersteig des Osterdeichs nach rechts in eine Wohnstraße in Richtung Ostertor.
    Keine zehn Minuten später erreichte sie Auf den Höfen und stellte ihr Rad ab.
    Der weitläufige Innenhof mit seinen Restaurants, Bistros, dem Töpferladen und der Yogaschule lag still vor ihr. Abends flanierten hier

Weitere Kostenlose Bücher