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Schattenschmerz

Schattenschmerz

Titel: Schattenschmerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Gerdts
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wieder schließen wollte, drehte sich Steenhoff noch einmal um.
    «Entschuldigung, der Akku meines Handys ist leer. Dürfte ich einmal kurz Ihr Telefon benutzen?» Als die Frau zögerte, fügte Steenhoff lächelnd hinzu: «Es ist nur ein Ortsgespräch.»
    «Das Telefon steht da vorne», antwortete sie widerstrebend und deutete auf eine Anrichte im Wohnzimmer.
    Während Steenhoff ins Wohnzimmer ging und zum Hörer griff, begann Petersen loszuplappern und das alte Paar in ein Gespräch über ihr Haus, die Lage und die Nachbarschaft zu verwickeln.
    Steenhoff nahm den Hörer und drückte auf Wahlwiederholung. Wie erwartet, tauchte auf dem Display eine Handynummer auf. Er prägte sich die Zahlen ein und wählte dann die erstbeste Bremer Nummer, die ihm einfiel.
    Bei der kleinen Kfz-Werkstatt in Horn, zu der Steenhoff seinen Wagen seit Jahren zur Inspektion brachte, meldete sich eine jungenhafte Stimme. Steenhoff nahm an, dass es sich um den Lehrling handelte.
    «Hallo, Bernd, ich bin’s, Frank», begann er das Gespräch ins Blaue hinein. «Ihr könnt Farid Omar von der Liste streichen. Der ist okay. Der wohnt schon länger nicht mehr in Bremen. Seine früheren Vermieter sagen, er arbeite jetzt irgendwo in Hamburg.»
    Steenhoff tat, als lausche er seinem Gesprächspartner. Dann setzte er erneut an, bevor der Lehrling zum zweiten Mal darauf hinweisen konnte, dass der Anrufer sich offenbar verwählt habe. Noch während der junge Mann betonte, dass es auch keinen Bernd in der Werkstatt gebe, unterbrach ihn Steenhoff und erklärte lautstark: «Nein, der Mann ist sauber. Wenn ich dir das doch sage, Bernd. Wir haben es geprüft … War eine falsche Spur.»
    «Ich lass mich doch nicht verarschen», motzte der Lehrling und beendete das Gespräch.
    Steenhoff spürte die Blicke der Eheleute im Rücken. «Also, wir klappern jetzt die anderen Tatverdächtigen ab. Gegen Abend sind wir wieder im Präsidium.»
    Er legte auf.
    «Sie haben Farid nicht mehr in Verdacht?», erkundigte sich die Frau hoffnungsvoll.
    «Nein, alles in Ordnung», log Steenhoff. «Bei unseren Ermittlungen geraten leider immer auch Unschuldige ins Fadenkreuz.»
    Die beiden Alten nickten eifrig.
     
    Auf dem Weg ins Präsidium notierte sich Steenhoff Farids Handynummer auf einem Zettel.
    Petersen stoppte den Wagen vor einer roten Ampel und sah ihren Kollegen gespannt an. «Rufen wir ihn an und stellen ihm ein Ultimatum, oder bluffen wir?»
    «Weder … noch …», erklärte Steenhoff. «Wir schicken ihm eine stille SMS .»

[zur Inhaltsübersicht]
    21
    Sigrid Werlemann saß regungslos auf ihrem Küchenstuhl und schaute durch die verglaste Tür in den Garten.
    Nur das Ticken der alten Küchenuhr über dem Brotschrank unterbrach die Stille. Jede Sekunde, die verstrich, rückte der Zeiger mit einem leisen Klacken über das Ziffernblatt weiter. Unerbittlich verrann die Zeit. Ihre Zeit.
    Sigrid Werlemann rührte sich nicht. Sie starrte hinaus. Eigentlich war ihr Garten nicht mehr als eine größere Terrasse, auf der, dicht an dicht, Terrakotta-Töpfe und Kübel unterschiedlichster Größe standen. Bis auf eine leuchtend rote Dahlie waren die meisten Blumen verblüht.
    Ein Windstoß fuhr durch einen Haufen Blätter, der sich in einer Ecke der Terrasse gesammelt hatte.
    ‹Ich muss dringend fegen›, dachte Sigrid Werlemann. ‹Und die Scheiben putzen.›
    Alle drei Wochen nahm sie sich erst die Fensterscheiben der Westfront ihres kleinen Reihenhauses vor. Am darauffolgenden Wochenende waren die Fenster, die nach Osten rausgingen, dran. Sie hatte sich einen klaren Putzplan zugelegt, um ihr Zuhause sauber zu halten. Nicht dass es jemals in den vergangenen Jahren schmutzig gewesen wäre, aber Sigrid Werlemann brauchte das Gefühl, jederzeit die Tür öffnen und einen Gast empfangen zu können. Dabei klingelte es nur selten an ihrer Tür. Bis auf ihre Tochter Christine kam kaum jemand vorbei.
    Einmal im Vierteljahr fuhr die Tochter mit ihrem teuren, schwarzen Audi vor und blieb für einen halben Tag und eine Nacht bei ihr. Nach dem Frühstück am Sonntag, nach zwei Toast, einem Knäckebrot und einem Vier-Minuten-Ei sprachen sie gewöhnlich noch ein wenig miteinander. Dann ging ihre Tochter nach oben in ihr altes Kinderzimmer, packte mit wenigen Handgriffen ihren Rollkoffer und murmelte etwas von «viel Arbeit» und «Vorbereitung auf die nächste Woche». Nach einer unbeholfenen Umarmung lief Christine scheinbar erleichtert mit großen Schritten in Richtung Auto.
    Wie oft

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