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Schattenschmerz

Schattenschmerz

Titel: Schattenschmerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Gerdts
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dem führenden Juwelier in der Stadt gegangen. Zwei kräftig gebaute Wachmänner hatten vor der Tür gestanden und sie flüchtig taxiert. Die Chefsekretärin erschien ihnen offenbar unverdächtig. Sie musste klingeln, damit eine im dunklen Hosenanzug gekleidete Angestellte ihr die Tür öffnete. Die Frau tat herzlich und behandelte sie ausgesucht höflich. Aber Sigrid Werlemann wusste, dass sie schon rein äußerlich nicht den betuchten Kundinnen entsprach, die sich hier ansonsten nach einem passenden Schmuckstück umschauten.
    Nach langem Überlegen entschied sie sich für eine aufwendig gearbeitete Brosche mit einem künstlich bestrahlten schwarzen Diamanten. Doch sie war unsicher, und bevor sie sich das Schmuckstück einpacken ließ, wählte sie die Nummer ihres Chefs. Sie hatte angesichts des ungewöhnlichen Auftrages ganz vergessen, nachzufragen, was er für seine Frau ausgeben wollte. Hasso von Germershausen war sofort am Apparat. Nach zwei Sätzen unterbrach er sie. «Schon gut. Sie brauchen mir die Brosche nicht zu beschreiben. Wenn sie meiner Frau nicht gefällt, kann sie das Ding ja umtauschen. Aber lassen Sie das Geschenk repräsentativ einpacken.» Ohne eine Antwort abzuwarten, legte er auf.
    Nach dem Preis für die Brosche hatte er nicht gefragt.
    Am nächsten Tag war Sigrid Werlemann früher ins Büro gegangen, um in Ruhe die Zeilen an Gesine von Germershausen zu formulieren. Dabei versuchte sie sich die ganze Zeit, die sportlich wirkende Frau auf dem Foto vom Schreibtisch ihres Chefs vorzustellen. Auf dem silbergerahmten Bild wirkte sie ernst. Fast streng. Aber das traf es irgendwie nicht. Und als Sigrid Werlemann an jenem Vormittag einen Stapel Post ins Zimmer ihres Chefs brachte, sah sie in dem Blick der Frau auf dem Foto noch etwas anderes.
    ‹Sie wirkt wie erloschen›, schoss es ihr durch den Kopf.
    Hasso von Germershausen hatte den Geburtstagsbrief ohne Dank entgegengenommen und ihn wie ein Geschäftsschreiben korrigiert. Dann musste Sigrid Werlemann ihn in den Computer eingeben und ausdrucken. Hasso von Germershausens einziger persönlicher Beitrag zum Geschenk an seine Frau war seine Unterschrift unter den Brief.
    Die Umstände um den Geburtstag beschäftigten Sigrid Werlemann ein paar Tage lang, doch schließlich verdrängte sie die Gedanken um das Eheleben ihres Chefs und kümmerte sich wieder um ihre Arbeit als Chefsekretärin.
    Doch jetzt fragte sie sich, ob die Ehefrau ihm die Geschichte von den amerikanischen Geschäftspartnern abnahm. Sie selbst hatte sofort gewusst, dass ihr Chef log.
    ‹Eine betrogene Frau hat für so etwas einen siebten Sinn›, dachte sie bitter.
    Fünf Jahre war es her, dass ihr Mann sie verlassen hatte. Kurz vor ihrem 50. Geburtstag. Sie hatten schon lange nebeneinanderher gelebt. Dennoch traf seine Entscheidung, auszuziehen und mit einer anderen Frau neu anzufangen, sie bis ins Mark. Klaus hatte einen großen Freundes- und Bekanntenkreis mit in die Ehe gebracht. Sigrid beneidete ihn immer um seine unkomplizierte Art, mit anderen Menschen umzugehen. Mit wenigen Worten konnte Klaus sowohl am Büfett wie auch an der Straßenbahnhaltestelle mit Fremden ins Gespräch kommen. Sie selbst ergriff nie die Initiative. Und mit dem Auszug von Klaus wurde es still im Haus. Die Anrufe hörten schlagartig auf. Niemand stand mehr spontan vor der Tür. Ihre gemeinsamen Freunde hatten sich nach der Trennung für ihn entschieden. Das Ergebnis gab Sigrid Werlemann in seiner Eindeutigkeit den Rest. Bis auf den Papagei, den sie sich vor Jahren gemeinsam angeschafft hatten, blieb ihr von dem früheren Leben nur das leere, verstummte Reihenhaus und die kühle Tochter.
    Die Sekretärin dachte an das Renaissance-Hotel, das sie für ihren Chef gebucht hatte. Es lag mitten im Zentrum Hamburgs. Ein großes Doppelzimmer sollte es sein.
    Sie lachte trocken auf und erschrak im gleichen Moment über den Laut, der mit einem Mal die Küche ausfüllte.
    Klaus war auch immer viel auf Geschäftsreisen gewesen. In dem letzten Jahr ihrer Ehe hatte er häufiger von unterwegs angerufen und angekündigt, später als geplant nach Hause zu kommen. Sie hatte ihm geglaubt und ihre eigenen Termine nach ihm ausgerichtet, hatte gewartet und das Essen warm gestellt. Während er sich mit seiner dunkelhaarigen, schlanken Britta in einem dieser edlen Hotels vergnügte. Und nach dem Sex waren sie bestimmt noch schick Essen gegangen. Wie hatte Hasso von Germershausen es genannt? «Im kleinen Kreis.» Denn wenn Klaus

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