Schattenschmerz
Teufel an die Wand malen.»
Ein paar der Männer schmunzelten.
Steenhoff sah, dass es gefährlich in Petersens Augen blitzte. Äußerlich blieb sie völlig ruhig. Sie sprach nahezu perfekt Deutsch. Nur bei den Redewendungen geriet sie manchmal durcheinander. Kein Grund, sie deswegen vorzuführen. Er nahm sich vor, nach der Besprechung mit Frederike Balzer zu sprechen. Ihre spitzen Bemerkungen störten die Zusammenarbeit in der Sonderkommission zunehmend.
«Du hast vollkommen recht», wandte er sich an Petersen. «Andrea Voss könnte in Gefahr sein. Ich werde mit dem Staatsanwalt reden, damit wir ihr Handy orten können. Außerdem erkundige ich mich an der Hamburger und der Bremer Uni nach Farid.» Steenhoff stand auf. «Wir sollten loslegen. Wer als Erstes seinen Nachnamen herausfindet, informiert die anderen.»
Sie brauchten weniger als eine Stunde, um in Erfahrung zu bringen, dass der Mann, mit dem Andrea Voss in Hamburg eine WG bewohnte, Farid Omar hieß und 39 Jahre alt war. Eine weitere halbe Stunde später hatten sie seine Bremer Adresse. Der Afghane lebte zur Untermiete bei einem älteren Ehepaar im Stadtteil Horn.
Noch während sich Steenhoff gemeinsam mit Petersen und zwei Streifenwagen auf den Weg machte, ließ er Farid Omar überprüfen.
Als sie 50 Meter vor dem kleinen Wohnhaus ihre Fahrzeuge abstellten, hatte Frederike Balzer bereits per Funk durchgegeben, dass Farid Omar strafrechtlich zuvor nie aufgefallen war.
«Er hat aber zwei Termine bei der Ausländerbehörde versäumt.»
«Tragt alles zusammen, was ihr über ihn findet», forderte Steenhoff sie auf. «Wir holen ihn uns.»
Navideh Petersen sah, dass die Polizisten, die sie begleiteten, Schutzwesten unter ihren Jacken trugen. Einen Augenblick lang überlegte sie, ob sie nicht besser das Spezialeinsatzkommando hätten rufen sollen. Sollte dieser Farid etwas mit dem Anschlag zu tun haben, könnte er immerhin bewaffnet sein.
Doch Steenhoff ging bereits auf die Haustür zu.
Navideh lief, wie besprochen, in geduckter Haltung um das Haus herum und ging auf der Rückseite in Position. Angespannt lauschte sie auf Geräusche aus dem Haus.
Die zwei anderen Beamten suchten die Fenster an der Rückfront mit den Augen ab. Als sie wie aus weiter Ferne das Klingeln an der Haustür hörten, gingen sie hinter einem großen Busch in Deckung.
Drei Minuten später gab Steenhoff über Funk Entwarnung.
«Der Vogel ist ausgeflogen. Er wohnt seit vier Wochen nicht mehr hier.»
Das Ehepaar reagierte geschockt auf den Polizeibesuch.
Farid Omar hatte mehrere Jahre im Dachgeschoss des Hauses gelebt und immer wieder den Kontakt zu den älteren Vermietern gesucht.
«Er ist wie ein Sohn für uns. Ein so lieber, junger Mann», wiederholte die Frau mehrmals. Zögernd führte sie die Beamten in die kleine Zwei-Zimmer-Wohnung unterm Dach. Die Räume waren leer. Nichts lag mehr herum.
«Ein so ordentlicher Mann», sagte sie anerkennend. «Farid hat kürzlich alles, aber auch wirklich alles weggeräumt.»
«Wo ist er jetzt?», erkundigte sich Petersen.
«Er wollte nach Hamburg, um sich dort eine Arbeit zu suchen», antwortete ihr Mann. «Aber, was um Gottes willen wollen Sie von Farid?»
«Er ist ein wichtiger Zeuge in einem Tötungsdelikt», sagte Petersen bestimmt.
Der Vermieter sah skeptisch in den Flur, in dem zwei Uniformierte warteten. «So, so. Ein Zeuge also.»
Er tastete nach der Hand seiner Frau neben ihm und drückte sie kurz. Navideh Petersen hatte die Geste bemerkt. Sie ahnte, dass sie auf die nächste Frage keine Antwort bekommen würde.
«Haben Sie Farids Handynummer?»
Das Ehepaar wechselte einen raschen Blick.
«Der Junge besitzt kein Handy», erwiderte der Mann ein wenig zu schnell. Er war ein lausiger Lügner.
«Dürfen wir uns bitte kurz allein hier umgucken?», bat Steenhoff.
Das Ehepaar nickte und verließ zögernd das Zimmer.
Steenhoff machte den beiden Beamten ein Zeichen, das Haus zu verlassen, dann schloss er die Tür zur Dachwohnung.
«Sie werden Farid sofort anrufen, sobald wir gegangen sind», sagte Navideh Petersen, sobald sie alleine waren. «Oder sie telefonieren bereits jetzt schon mit ihm.»
«Das hoffe ich», antwortete Steenhoff. «Lass uns etwas rumpoltern, damit sie sich unten ungestört fühlen.»
Wenig später gingen sie die Treppe hinunter.
Steenhoff bedankte sich bei dem Paar und öffnete die Haustür. Die Erleichterung war beiden ins Gesicht geschrieben. Gerade als die alte Frau die Tür hinter ihnen
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