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Schattenschmerz

Schattenschmerz

Titel: Schattenschmerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Gerdts
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hinauflief. Voller Ungeduld hielt sie ihre Chipkarte vor das Lesegerät an der Wand. Kaum klackte es leise, riss sie die Tür zum Flur der Mordkommission auf.
    Dunkel lag der Gang vor ihr. Aber Navideh Petersen wusste, dass mehrere ihrer Kollegen noch arbeiteten. Vom Hof des Präsidiums aus hatte sie Licht in den Büros gesehen. Sie hoffte, dass sie noch rechtzeitig kam.
    Erwartungsvoll öffnete Petersen die Tür zu ihrem Büro. Das Zimmer war leer. Auch im Nebenraum war niemand.
    ‹Vermutlich sitzen sie alle bei Bernd Tewes zusammen und besprechen die neue Entwicklung›, dachte Petersen. ‹Oder sie vernehmen Farid.›
    Plötzlich hörte sie Schritte. Vom anderen Ende des Flurs kam ihr ein Mann entgegen. Seine Umrisse waren deutlich zu erkennen, denn aus einem der vorderen Büros, dessen Tür leicht offen stand, fiel ein schmaler Lichtschein in den Gang. Der Mann machte sich nicht die Mühe, das Licht im Flur anzuschalten, sondern ging mit schnellem Schritt auf sie zu.
    «Navideh!» Seine Stimme klang empört. «Verdammt noch mal, was machst du hier?»
    Steenhoff drückte auf den Schalter an der Wand, trat auf sie zu und drückte sie an sich.
    Sie roch seinen herben Duft. Einen Augenblick, der Navideh Petersen wie eine wundersame Ewigkeit vorkam, sagte keiner von beiden etwas. Sie erwiderte seinen Druck, schloss die Augen und hielt den Mann, der ihr in der kalten Weser hinterhergeschwommen war, fest umschlungen.
    Als Frank Steenhoff zu sprechen begann, öffnete sie wieder die Augen. Sein strenger Ton passte nicht zu seinem weichen Blick, in dem sich Freude und Erleichterung gleichzeitig spiegelten.
    «Du gehörst ins Bett und nicht ins Präsidium», schimpfte er. Aber seine Stimme klang dabei unendlich sanft.
    «Ich komme nur, um dein Versprechen einzulösen.»
    Fragend sah Steenhoff sie an.
    «Na, mir wurde der beste persische Tee auf der Welt versprochen, wenn ich weiterschwimme.» Navideh Petersen grinste verschmitzt. «Ich habe die ganze Zeit darüber nachgedacht, was du wohl da reintun wirst. Als sie im Krankenhaus mit lauwarmem Hagebuttentee ankamen, habe ich meine Sachen gepackt und mich auf den Weg ins Präsidium gemacht.»
    Steenhoff unterdrückte ein Lachen. «Du wirst staunen», sagte er geheimnisvoll.
    Er schob sie in ihr gemeinsames Büro, drehte die Heizung auf Stufe 5 und ging zur Tür. «Bin gleich wieder da.»
    Beim Rausgehen wäre er fast mit Michael Wessel zusammengestoßen. «Ich habe Navidehs Stimme auf dem Flur gehört. Ist sie im Büro?»
    «Ja», antwortete Steenhoff schroff. Sein Tonfall hatte auf einen Schlag alle Wärme verloren.
     
    Wessel war laut rufend am Ufer hin- und hergerannt, anstatt ins Wasser zu springen und ihnen zu helfen. Um Haaresbreite hätte es Petersen nicht mehr an Land geschafft. Steenhoff packte erneut die Wut, als sein Kollege vor ihm stand. Wessels Verhalten würde Konsequenzen haben, dafür würde er sorgen.
    Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, marschierte er an ihm vorbei.
    In der Teeküche wurde Steenhoff von Tewes abgefangen. Der Kommissariatsleiter wollte wissen, was die Vernehmung von Andrea Voss ergeben hatte.
    Als Steenhoff eine halbe Stunde später in sein Büro zurückkehrte, saß Petersen allein an ihrem Schreibtisch. Wessel war bereits wieder gegangen.
    «Entschuldige, dass es so lange gedauert hat.»
    Er stellte die Teekanne auf ein Stövchen und zündete das Teelicht an. Dann nahm er den Deckel ab. «Schnupper mal. Meine Spezialmischung für Schwimmerinnen.»
    «Hm, Ingwer …», antwortete Petersen abwesend.
    Er goss ihr einen Becher ein.
«Ingwer wärmt das Innerste.»
    Sie sah ihn verblüfft an. «Das stammt aber nicht von dir, oder?»
    «Nein, das hat mir Marianne erzählt.»
    «Hat unsere Sekretärin tatsächlich Ingwer im Büro vorrätig?»
    «Äh, ja», antwortete Steenhoff ausweichend.
    Petersen nippte vorsichtig an dem heißen Getränk. «Lecker! Dafür hat es sich in der Tat gelohnt, weiterzuschwimmen.»
    Aus Steenhoffs Gesicht verschwand das Lächeln. «Navideh, wenn dir etwas passiert wäre … Ich hätte mir das nie verziehen. Dieser Wessel … Ich …»
    «Ach, lass ihn. Er hat sich entschuldigt.»
    «Das ist zu wenig. Damit kommt er mir nicht davon», knurrte Steenhoff.
    «Frank!»
    «Wieso verteidigst du ihn noch? Er hätte dich absaufen lassen.»
    «Er konnte da nicht rein …»
    Navideh zögerte. Dann gab sie sich einen Ruck. «Michaels bester Freund ist vor seinen Augen in einem Badesee ertrunken. Da war er zehn.»
    Steenhoff

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