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Schattenschmerz

Schattenschmerz

Titel: Schattenschmerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Gerdts
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überhöhter Geschwindigkeit entgegen. Es rauschte an ihm vorbei und war sofort wieder vergessen.
    Auf der Kreuzung bog er nach rechts in das ausgedehnte, frühere Moorgebiet des Bremer Umlands ab. Steenhoff liebte den letzten Rest der Strecke bis zu seinem abgelegenen Haus. Morgens lag oft Bodennebel über den Wiesen und Gräben. Wie oft war er schon morgens beim Joggen stehen geblieben, verzaubert vom Anblick der schwarz-weißen Kühe, von denen er im Herbst wegen des Nebels oft nur die Köpfe und Füße sehen konnte. Den Körper der Tiere umhüllte dann ein nebliges Band, das sich durch die gesamte Landschaft zog.
    Er verlangsamte seine Fahrt und konzentrierte sich auf die Fahrbahn vor ihm.
    Zehn Minuten später rollte der Wagen auf den dunklen Hof seines ausgebauten Bauernhofes. Sofort sprang die Lichtschranke an, die er an einem Ast der alten Hofeiche montiert hatte. Ihr Schein tauchte den Hof in ein warmes Licht.
    Steenhoff machte sich nicht die Mühe, seinen Wagen abzuschließen, sondern warf nur die Fahrertür hinter sich zu. Das stille Haus wirkte abweisend auf ihn. Ira hatte immer eine Lampe im Wohnzimmer für ihn brennen lassen, wenn er spätnachts oder wie jetzt in den frühen Morgenstunden vom Dienst nach Hause kam. Aber Ira schlief diesmal nicht in ihrem gemeinsamen Schlafzimmer, sondern war in Portugal. Und Ben, den Golden Retriever seiner Tochter, hatte Ira vor der Abreise vorsorglich bei einer Nachbarin untergebracht. Der Hund sollte nicht so lange tagsüber allein zu Hause bleiben. Eigentlich hatte Marie ihn ja mit nach Berlin nehmen wollen, aber Ira hielt das für keine gute Idee. Ein Golden Retriever brauche regelmäßig Auslauf und nehme viel Zeit in Anspruch, betonte sie immer wieder. Schweren Herzens hatte Marie den Hund schließlich bei ihren Eltern gelassen.
    Steenhoff schloss die Tür auf, warf seine Jacke auf einen Stuhl und ging müde die Treppe in den ersten Stock hoch. Aus dem Augenwinkel sah er, dass das rote Lämpchen des Anrufbeantworters blinkte, aber er hatte keine Energie mehr, die Nachricht abzuhören. Er wollte nur noch ins Bett.
    Nachlässig putzte er sich die Zähne, zog sich bis auf die Unterhose aus und schlief sofort ein.

[zur Inhaltsübersicht]
    30
    Als Steenhoff am nächsten Morgen erwachte, fühlte er sich zerschlagen. Die Moorlose Kirche drängte sich in seine Gedanken. Und Navideh, die es beinahe nicht mehr geschafft hätte. Der Junge …
    Er schlug die Bettdecke zurück, ging ins Badezimmer und ließ minutenlang heißes Wasser über seinen Körper laufen. Dann drehte er es ab, und auf einen Schlag floss nur noch kaltes Wasser durch den Duschkopf. Der Temperaturunterschied war im ersten Moment ein Schock. Aber Steenhoff wusste aus Erfahrung, dass er sich anschließend belebt und erfrischt fühlen würde.
    Doch an diesem Morgen beschwor die Kälte nur Bilder der schnell dahinfließenden Weser in ihm. Beklommen stieg er wieder aus der Dusche und zog sich an.
    Eine Stunde später machte er sich auf den Weg ins Präsidium.
     
    Jan Schneider und Frederike Balzer hatten die Halterin des Fahrzeugs ausfindig gemacht und die Frau noch in der Nacht vernommen. Die Afghanin lebte schon seit den achtziger Jahren in Bremen und war seit längerem mit Farid befreundet. Sie reagierte entsetzt, als sie erfuhr, dass er festgenommen worden war. Und sie bestritt vehement, jemals etwas von den Müttern und Vätern von Paghman gehört zu haben. Auch gab sie an, von dem Schulbus, der in Farids Heimatort auf eine Mine gefahren war, nichts zu wissen.
    Während Frederike Balzer skeptisch blieb, glaubte Jan Schneider ihr. Dies sagte er auch in der morgendlichen Besprechung der Sonderkommission. Die Afghanin war schließlich nach einigem Zögern mit der Info rausgerückt, wo Farid in Hamburg künftig wohnen wollte.
    «Angeblich hat er all seine Kartons und Sachen bereits nach Hamburg gebracht und wollte seinem Bruder nur noch einen für ihn sehr wichtigen Ort in Bremen zeigen», sagte Jan Schneider nach einem Blick auf seine Notizen. «Aus dem Kurzbesuch war ein mehrtägiger Aufenthalt geworden, wobei er Motjaba auch mit dem älteren Ehepaar bekannt gemacht habe, bei dem er so lange zur Miete gewohnt hatte.»
    «Motjaba hält sich übrigens illegal in Deutschland auf», ergänzte Frederike Balzer den Bericht. «Die Afghanin erzählte uns, dass er mit Schleppern ins Land gekommen sei. Und dass Farid ihn erst nach seinem Umzug bei den Behörden in Hamburg offiziell als Asylbewerber melden wollte.

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