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Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen

Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen

Titel: Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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denen die Augen jedoch so bunt leuchteten, dass es mir selbst auf diese Entfernung nicht entging. Auch die Kleidung hatte nur einen gemeinsamen Nenner: Sie war knapp. Die meisten Schattenschwingen saßen mit nacktem Oberkörper da, aber es gab auch Tuchgewänder, die so geschickt gewickelt waren, dass sie den Schwingen ausreichend Platz ließen, sich zu entfalten, schlichte Umhänge und die Überbleibsel alter Rüstungen. Einige der Anwesenden steckten die Köpfe zusammen und unterhielten sich scheinbar flüsternd, während andere Schattenschwingen sich trotz der Enge des Vorplatzes weigerten, ihre Schwingen einzuziehen, als wollten sie sich dadurch Respekt verschaffen, oder als wären sie in steter Fluchtbereitschaft. Andere hatten es gleich vorgezogen, in der Luft zu bleiben und kreisten nun über der Ruine wie überdimensionale Raben. Andere hockten auf den Überresten der oberen Etage und beäugten einander misstrauisch.
    Auf einem der großen Steinbrocken, die in Vorzeiten das Mauerwerk der oberen Etage ausgemacht hatte, saß eine Schattenschwinge und stierte so gleichgültig vor sich hin, als habe das alles nichts mit ihr zu tun. Es war ein junger Mann mit gleichmäßigen, asiatisch anmutenden Gesichtszügen. Zu meiner Überraschung waren seine Augen genauso schwarz wie seine langen Haare, die er im Nacken zusammengebunden trug. Er war der Erste seiner Art, dessen Augen in der Sphäre nicht wie ein buntes Feuerwerk aufleuchteten. Er war von Kopf bis Fuß schwarz-weiß.
    »Wer ist das?«, fragte ich Ranuken, der neben mir kauerte, sorgfältig darauf bedacht, dass nur kein Stück zu viel von ihm über die Balustrade reichte. Diese Versammlung war offensichtlich ganz und gar nicht nach seinem Geschmack.
    »Das ist Asami, der Erste Wächter. Dem haben wir das Drama heute Abend zu verdanken. Es gibt wirklich einige schräge Vögel in der Sphäre, aber Sam musste sich ja ausgerechnet mit ihrem ungekrönten König anlegen. Kein Wunder, dass es bei der Ruine nur so vor Körperlosen wimmelt. Sie lieben Asami und er liebt sie. Sieht ja fast selber aus wie einer von denen.«
    »Seine Augen sind schwarz.« »Wirklich?« Diese Feststellung gefiel Ranuken zweifelsohne. »Das werde ich ihm bei der erstbesten Gelegenheit unter die Nase reiben. Mann, wenn der wüsste, dass du ihn gesehen hast, würde er vermutlich komplett ausflippen.«
    »Dass der nicht gut auf Menschen zu sprechen ist, sieht man ihm an.« Selbst wenn Sam mich nicht bereits über Asamis Abneigung uns Menschen gegenüber aufgeklärt hätte, so hätte sein Anblick mir gereicht, um Bescheid zu wissen. Er wirkte gleichgültig und ausgesprochen kühl, wenn nicht sogar arrogant. Eine perfekt geformte Gestalt, ohne jeden menschlichen Makel, mit schlanken Gliedmaßen und einer weißen Haut, die dank seiner Aura, die ihn wie ein schwarzer Heiligenschein umgab, regelrecht leuchtete. Es war seine Aura, die ihn verriet: eine unheimliche Mischung aus Unglück und Zorn. In seinem Schatten stand eine kräftige Schattenschwinge mit einem verwilderten Haarschopf und trat ungeduldig von einem Bein aufs andere, als könne sie ihre angestaute Energie kaum zügeln.
    »Das da neben ihm ist seine rechte Hand Jason«, erklärte Ranuken. »Das riecht nach Ärger. Jason steht dem Ersten Wächter immer zur Seite, wenn es darum geht, eine Bestrafung durchzuführen.«
    Allmählich schwante mir, worum es bei dieser Versammlung gehen würde: Sam würde sich rechtfertigen müssen, weil er zwischen den Welten wechselte und darüber hinaus einen Menschen mit in die Sphäre gebracht hatte. Rufus’ Drohung, Sam zu verraten, war zur Zeit vermutlich eher das kleinere Problem, mit dem mein Freund sich herumschlagen musste. Und er würde noch ein viel Größeres bekommen, wenn mich eine der Schattenschwingen entdecken sollte. Innerhalb eines Moments war mein spannendes Abenteuer in eine lebensgefährliche Dummheit umgekippt.
    Zuerst verspürte ich das Verlangen, mich ganz flach auf den Boden des Horstes zu drücken und erst wieder aufzublicken, wenn die Versammlung vorbei war. Doch nachdem ich ein paar Mal tief durchgeatmet hatte, entschied ich mich anders. Die Schattenschwingen waren vollkommen aufeinander fixiert. So, wie sie einander musterten und umringten, waren sie es nicht gewohnt, sich gemeinsam an einem Ort aufzuhalten. Keiner von ihnen würde Zeit darauf verschwenden, einen verwitterten Horst zu beobachten. Wenn ich mich vorsah und nur knapp über die halbhohe Holzwand lugte, würde mich

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