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Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen

Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen

Titel: Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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eher deinen Grabschfingern. Außerdem ist es zu spät für einen Rückzieher. Ich bin in der Sphäre und werde mich auch von niemand anderem als Sam wieder zurückbringen lassen. Also, es sind ziemlich viele Schattenschwingen da draußen unterwegs und es fühlt sich nicht so an, als wollten die bloß ein Barbecue veranstalten. Was hat das zu bedeuten?«
    »Das bedeutet, dass die Ruine gerade kein besonders guter Platz für Menschenkinder ist«, platzte es aus Ranuken heraus. »Merkst du das auch? Es ist, als hätten Blitze die Luft elektrisch aufgeladen, als könne sie sich jeden Augenblick entzünden. Da draußen sind Körperlose unterwegs - um das zu wissen, muss ich mich gar nicht erst ins Schattenschwingen-Netz einklinken. Die kann ich nicht ausstehen. Wenn ich geahnt hätte, dass Sam die auch einlädt, hätte ich Protest dagegen eingelegt.«
    »Moment mal. Sam hat sämtliche Schattenschwingen eingeladen? Wozu das denn?«
    Ranukens Hände wanderten augenblicklich von seinen Schläfen zu seinem Mund. »Ups.«
    Deshalb hatte er mich unter allen Umständen von der Sphäre fernhalten wollen! Nun war es jedoch zu spät für einen Rückzieher. Außerdem war meine Neugierde geweckt. Das hier konnte meine Chance sein, die Schattenschwingen endlich besser zu verstehen.
    »Dieser Jagdhorst, den man von der Ruine aus sehen kann - kannst du mich da hinführen?« Bevor Ranuken mir meine Bitte abschlagen konnte, fügte ich hinzu: »Du hast doch eben gesagt, dass du kein Verlangen verspürst, diesen Körperlosen zu nahe zu kommen. Wenn du das Treffen gern aus der Ferne betrachten möchtest, ist der Horst doch auch für dich genau das Richtige. Na, komm schon, wir zwei schauen uns das Spektakel von dort aus an.«
    Nach einigem Händeringen und lautlosem Geschimpfe nickte Ranuken schließlich. »Dieses Fahrrad sollte nach dem ganzen Ärger eigentlich mir gehören«, ließ er mich wissen, während er nach einem Weg zwischen den Bäumen suchte. Ich folgte ihm grinsend, bis ich die abstehenden Härchen auf meinen Unterarmen bemerkte. Die Luft war unleugbar von einer Energie erfüllt, die sich zunehmend verdichtete und sich wie ein klebriger Film auf Haut und Haare zu legen drohte. Sicher war es eine gute Idee, einen gewissen Abstand zur Ruine zu halten. Hoffentlich würde er ausreichen.
    Die Fichte, in deren Spitze der Horst errichtet war, hatte einen ungewöhnlich dicken Stamm. Ihre unteren Äste waren zwar kahl, aber kräftig genug, dass ich mühelos auf ihnen hochklettern konnte wie auf einer Wendeltreppe. Zu meiner Erleichterung hatte Ranuken gar nicht erst den Vorschlag gemacht, uns mit einem Flügelschlag nach oben zu befördern, sondern war schweigend hinter mir hergeklettert. Seine Schwingen hatte er allerdings, soweit das Geäst es zuließ, ausgebreitet. Mit jedem Meter, den wir höher stiegen, versicherte ich mir mehr, dass das Astwerk halten würde. Auf keinen Fall wollte ich ausrutschen und mich von Ranuken retten lassen. Einmal pro Tag sein verzücktes Gesicht zu sehen, weil er mich berührte, reichte vollkommen aus.
    Mit schmerzenden Muskeln und aufgeschrammten Handflächen erreichte ich schließlich den Horst. Erschöpft kauerte ich hinter der niedrigen Balustrade aus Zweiggeflecht, dankbar für den Wind, der meine glühenden Wangen kühlte. Nachdem das Reißen in Armen und Beinen nachgelassen hatte, wagte ich einen Rundblick. Von hier oben war die Höhe der Fichte kaum zu ermessen, da die niedrigeren Bäume dicht an dicht standen, sodass man nur auf einen Teppich aus Zweigen und Nadeln blickte. Dafür hatte man einen Blick auf den gesamten Ausläufer der Steilklippe, und auch Küste und Meer lagen ausgebreitet vor einem.
    Doch trotz des atemberaubenden Ausblicks war es das Geschehen bei der Ruine, das mich magisch anzog. Der Hof war bis auf den letzten Fleck mit Schattenschwingen gefüllt, deren Aura sich mindestens so sehr voneinander unterschied wie ihr Aussehen. Aber keine strahlte auch nur annähernd so hell wie Sam, keine übte solch eine Anziehungskraft aus. Ich sah Schattenschwingen, deren Haut trotz der anbrechenden Dämmerung in einem fast weiß anmutenden Hellgrau leuchtete, während andere nachtdunkel waren. Es gab seidige Haarmähnen, die bis zu den Kniekehlen hinabreichten, willkürlich abgeschnittenes Lockenhaar und eine Unzahl feiner Zöpfe. Ein Gesicht, das ich eher im Museum für Frühgeschichte vermutet hätte, saß neben Schattenschwingen mit aristokratischen Zügen und Allerweltsgesichtern, in

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