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Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen

Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen

Titel: Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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oft zu dritt zusammen. Trotzdem hatte meine Mutter nie mitbekommen, dass Lenas Herz treu für Rufus schlug und die anderen Jungs nur Zeitvertreib waren, bis der endlich ihre Liebe erwiderte. Wenn er sie denn jemals erwidern sollte. Ich nahm mir vor, Lena das nächste Mal auf dieses abstruse Verhalten hinzuweisen, wenn sie mich wegen Sam aufzog. Meiner Mutter gegenüber würde ich mich allerdings hüten, auch nur ein Wort darüber zu verlieren. Außerdem verspürte ich keine Lust, ihr den Wandel meiner Gefühle zu erklären - schließlich hatte die elfjährige Mila ganz anders für Sam empfunden als ich heute. »Mama, er riecht so gut, dass ich am liebsten mit ihm verschmelzen würde«, war trotz aller Verbundenheit ganz bestimmt kein Geständnis, das meine Mutter von mir hören wollte.
    »Worauf ich hinauswill …« Meine Mutter sah mich so intensiv an, als läge die Antwort bereits in meinen Augen. Doch die blickten nur verwirrt und ein wenig belustigt durch die rot gerahmte Sonnenbrille zurück. »Du weißt jetzt, dass Sam ein gewöhnlicher Mensch aus Fleisch und Blut ist und kein einsamer Stern am Himmel, den du gefahrlos aus der Ferne anbeten kannst.«
    Ich wollte sie unterbrechen und sagen, dass Sam keineswegs ein gewöhnlicher Mensch war, konnte mich dann aber gerade noch zurückhalten. Meiner ansonsten stets unbeschwerten Mutter lag etwas auf der Seele.
    »Okay, ich klinge jetzt vielleicht ein wenig überdreht«, fuhr sie fort. »Schließlich war es nur eine Nachhilfestunde und dafür bekommt er morgen ein Essen im Kreis der Familie. Ich habe bloß den Eindruck, als wäre Sam ebenfalls nicht ganz uninteressiert an dir. Aus dem Essen könnte also rasch mehr als nur ein Essen werden. Verstehst du, worauf ich hinauswill?«
    Bei dieser Andeutung vollführte mein Magen einen derartig heftigen Purzelbaum, dass ich fast von der Steinmauer gerutscht wäre. Als wollte ich ihr entwischen, umfasste meine Mutter meine Hand, die immer noch auf ihrem Schoß lag, so fest, dass es wehtat. Dann ließ sie sie wieder los. Ganz langsam. Es war ihr deutlich anzumerken, wie schwer es ihr fiel.
    »Komm, wir gehen ein paar Schritte«, sagte sie mit einem verschmitzten Lächeln. Sie hakte sich bei mir unter und gemeinsam schlenderten wir die seicht abfallende Promenade entlang, die sich nun am frühen Abend leerte. Die Kleinkind-Familien waren bereits auf dem Heimweg, Paare suchten sich fürs Abendessen Plätze in den Restaurants oder gingen mit einem Eis in der Hand zum Strand hinunter, wo sich einige Straßenmusikanten zusammengetan hatten und Folk spielten.
    »Du hast doch selbst einmal gesagt, dass Sam ein guter Junge sei. Wenn er sich jetzt also für mich interessiert, dann ist das doch nicht verkehrt«, knüpfte ich an unser Gespräch an. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass meine Mutter noch nicht alles gesagt hatte.
    »Im Gegensatz zu deinem Vater mache ich mir auch keine Sorgen um Sams Persönlichkeit …«
    »Oh bitte, sag bloß nicht, dass Papa immer noch glaubt, in Sam stecke etwas von seinem Vater!«
    Meine Mutter tätschelte mir beschwichtigend den Arm. »Du musst deinen Vater verstehen. Jonas Bristol hat seine Frau und Kinder geschlagen. Sam hat es allem Anschein nach am übelsten erwischt, denn er war seinem Vater in den letzten Jahren ganz allein ausgeliefert gewesen. So etwas hinterlässt Narben, und zwar nicht nur sichtbare.«
    »Und dafür will Papa Sam jetzt auch noch bestrafen, indem er ihm etwas unterstellt, obwohl Sam sich noch nie etwas hat zuschulden kommen lassen?« Ich konnte es nicht fassen. Meine Hände ballten sich zu Fäusten und ich konnte am bekümmerten Gesichtsausdruck meiner Mutter ablesen, dass ihr meine Wut nicht entging.
    »Nein, er will ihn nicht bestrafen, schließlich hat Daniel auch nichts dagegen gesagt, dass Sam zum Essen kommt. Er möchte nur nicht, dass dieser Junge dir wehtut. Wir reden uns nicht ein, dass Sam insgeheim ein Schläger ist. Aber es könnte durchaus sein, dass er einer Liebesbeziehung nicht gewachsen ist.«
    Das verwirrte mich nun noch mehr. »Was meinst du damit?«
    »Sam wird in ein paar Wochen achtzehn. Ich bin zwar keine Spezialistin für diese Altersgruppe, aber ich denke, er ist ein ganz süßer Typ, auch wenn er nicht gerade die tollsten Klamotten trägt.«
    »Das ist doch nun wirklich kein Argument«, warf ich ein. Sams Outfit hieß schlicht Jeans, Shirt und abgewetzte Stiefel. Discounter-Klamotten, aber bei seinen Lebensumständen konnte man auch kaum etwas

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