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Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen

Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen

Titel: Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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mir sofort nachschenken wollte, sagte ich nicht nein. Mittlerweile schmeckte der Wein auch nicht mehr ganz so schrecklich sauer.
    »Meine Sommerferien waren eher ruhig.« Ich hielt einen Moment inne und dachte darüber nach, was ich Unverfängliches erzählen konnte, aber ehe mir etwas einfiel, brummte Bernhard verständnisvoll.
    »Nach der ganzen Aufregung im Frühjahr war das bestimmt auch besser so. Ich habe gehört, dein großer Bruder ist erst mal mit dem Rucksack auf Reisen gegangen und du hättest dich in den letzten Wochen nicht einmal am Strand blicken lassen. Wundert mich nicht, nachdem euch die halbe Schule bis zu den Ferien ohne Unterbrechung beglotzt hat. Die haben sich ja alle über nichts anderes das Maul zerrissen, dabei hattest du doch gar nichts mit der ganzen Sache zu tun, die Samuel zugestoßen ist.«
    Unwillkürlich biss ich mir auf die Unterlippe. Bislang hatte mich niemand außer den Menschen, die mir nahestanden, auf dieses Thema angesprochen. Natürlich hatte ich eine Vorstellung davon, wie die Leute in einer Kleinstadt auf einen solchen Vorfall reagiert haben mochten. Aber von jemandem so deutlich gesagt zu bekommen, dass man Gegenstand des Geredes war, war mir dann doch etwas zuviel.
    Bernhard, der mein Schweigen als Zustimmung verstand, legte mir eine Hand aufs Knie. »Du solltest dich von den ganzen Klatschbasen nicht einschüchtern lassen. Falls du Unterstützung brauchst …«
    »Das ist nett von dir.« Ich stand auf, wobei ich leicht schwankte. Allem Anschein nach vertrug ich den Wein nicht besonders gut. »Ich geh mal ein paar Schritte spazieren, bin gleich wieder da«, sagte ich, da Bernhard Anstalten machte, ebenfalls aufzustehen.
    Lena, die in eine sehr vertraut wirkende Unterhaltung mit Julius verstrickt war, blickte auf. »Soll ich mitkommen?«
    »Nein, ich muss nur mal … du weißt schon was.«
    Lena guckte unentschlossen, doch Julius flüsterte ihr bereits wieder etwas ins Ohr. Ich winkte ihr zu, drehte mich schnell um und ging los.
    Mittlerweile war es tiefe Nacht und am Himmel zeigte sich ein Netz aus Sternen. Vom Meer kam eine leichte Brise, kühl genug, dass ich froh war, an meine Kapuzenjacke gedacht zu haben. Mit den Füßen im aufgewühlten Sand versinkend, umrundete ich die unzähligen Lagerfeuer, um die Jugendliche herum saßen und Grillsachen über dem offenen Feuer rösteten. Aus den mitgebrachten Boxen dröhnte die unterschiedlichste Musik, was jedoch niemanden zu stören schien, denn überall wurde getanzt. Die Stimmung war prickelnd, das nahm selbst ich wahr, auch wenn sie nicht auf mich übersprang. Ich lief einfach nur vor mich hin und tat so, als würde ich es nicht hören, wenn jemand Bekanntes aus der Schule meinen Namen rief. Stur blickte ich auf meine Füße und blinzelte die Tränen fort, die mir unbedingt über die Wangen laufen wollten. An den Strand zu gehen, hatte mich schon einiges an Überwindung gekostet, auch wenn ich es den ganzen Abend vermieden hatte, auch nur einmal zur Steilklippe hinüberzublicken. Aber nun konnte ich mich nicht von ihr fernhalten, obwohl mir ihre schiere Nähe Schmerzen bereitete. Wie magisch von ihr angezogen, lief ich an der Wassernaht entlang, die Stimmen und die Musik bereits nur noch ein fernes Geräusch. Ich ertrug die Leere in meinem Inneren nicht mehr, hielt es nicht länger aus, meine Empfindungen zu unterdrücken. Aber wenn ich sie zuließ, würden sie mich erst recht zerreißen.
    Mitten im Lauf blieb ich stehen und blickte auf das Meer hinaus. Ich hatte mich immer vor ihm gefürchtet, als könne es mich jeden Moment verschlingen. Nun sah ich auf die schwarze Wellendecke und verspürte den Wunsch, einfach nur von ihr eingehüllt zu werden. Ich streifte meine Schuhe von den Füßen und ließ sie achtlos im Sand zurück. Dem Wasser, das meine Füße umspülte, haftete mit einem Mal nichts Bedrohliches mehr an. Entschlossen setzte ich einen Schritt nach vorn.
    »Glaub mir, es ist nicht der richtige Zeitpunkt für dich, um mit dem Schwimmen im Meer anzufangen«, sagte eine vertraute Stimme hinter mir.

16
    Weltensturz
    Beim Klang dieser Stimme wirbelte ich herum und wäre dabei fast ins Wasser gestürzt. Ich fing mich im letzten Moment und starrte Sam an, der einige Schritte von mir entfernt am Strand stand. Er trug dasselbe Baseballshirt und dieselben Jeans wie bei unserem letzten Treffen, und trotzdem wirkte er vollkommen anders. Seine Aura, die ich ansonsten immer wie einen weichen Glanz wahrgenommen hatte,

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