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Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen

Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen

Titel: Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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Schließlich erzählt er dir ja nie etwas über irgendwelche Frauengeschichten.«
    Angesichts eines solchen Übermaßes an Naivität zog ich die Nase kraus. »Soviel Verstand hat selbst Rufus, dass er seiner kleinen Schwester keinen Schweinkram erzählt. Außerdem hat er doch Chris und Luca, die reden bestimmt über nichts anderes.« Lena zuckte zusammen und augenblicklich bereute ich meine Ehrlichkeit. Es war gemein, ihr so etwas zu sagen, auch wenn sie die Wahrheit vermutlich selbst kannte. »Aber eigentlich glaube ich nicht, dass da die tollsten Dinge passieren. Überleg mal, die Jungs können von Glück sagen, wenn sie mal eine Dusche auftun, und rasiert haben sie sich in den letzten Wochen bestimmt auch nicht. Ich würde darauf wetten, dass die meisten Mädchen schnurstracks flüchten, wenn sie dieses Trio sehen.«
    Lena zog die Mundwinkel hoch, aber ein echtes Lächeln wurde das nicht.
    Meine Mutter kam hustend ins Wohnzimmer, die Glastür hastig hinter sich zuziehend. Mein Vater stand draußen in einer Rauchwolke und hustete ebenfalls hingebungsvoll.
    »Hoffentlich ruft keiner der Nachbarn die Feuerwehr«, sagte Reza und wischte sich über die tränenden Augen. »Ich habe Daniel gesagt, dass da auf keinen Fall solche Unmengen von Brennhilfe ranmuss. Aber er weiß ja immer alles besser. Nun verrußen die Girlanden und Lampions, die ich aufgehängt habe. Was soll’s. Falls er nicht von einer Rauchvergiftung dahingerafft wird, wird er wohl bald die Fische auf den Grill legen. Wie sieht es an der Salatfront aus?«
    Ich machte »tätärätä« und zeigte auf zwei randvolle Schalen.
    »Ach, es ist so gut, zwei brave Mädchen im Haus zu haben.« Meine Mutter begann, Baguette klein zu schneiden. »Allerdings finde ich euch ehrlich gesagt ein wenig zu brav. Wollt ihr heute Abend nicht auf diese Strandparty gehen, über die alle reden? Das wird bestimmt eine aufregende Sache. Mit Lagerfeuer und allem Drum und Dran.«
    »Was für eine Party?«, fragte ich wenig interessiert. Allein das Wort »Strand« reichte aus, damit ich auf Abwehr schaltete.
    Lena jedoch ging begierig auf das Thema ein. »Na ja, mittlerweile sind viele Leute von unserer Schule aus dem Urlaub zurück und auch einige der Studenten, obwohl das Semester erst Mitte September wieder anfängt. Es wird eine lockere Sache, nichts für die Touris. Ein bisschen Musik, Lagerfeuer … und die Getränke bringt sich jeder selber mit. Wenn es dämmert, geht es los.«
    »Würdest du da gern hingehen?«, fragte ich sie. Allein die Vorstellung schlug mir zwar auf den Magen, aber ich konnte an dem Funkeln in Lenas Augen sehen, dass sie sich nach ein wenig Abwechslung sehnte. Trotzdem sagte sie tapfer: »Muss nicht sein.«
    »Aber, ich finde, das muss sein!« Das ansonsten stets so gut gelaunte Gesicht meiner Mutter war mit einem Schlag ernst. »Mila, ich möchte dich wirklich nicht bedrängen, aber du kannst dich doch nicht für immer in deinem Schneckenhaus verkriechen. Nach fast vier Monaten solltest du die ersten Schritte zurück ins Leben probieren. Lass doch bitte wieder einmal etwas an dich heran … Ich mache mir solche Sorgen um dich.«
    Bislang hatte meine Mutter dieses Thema gemieden, nachdem ich sie gleich nach Sams Verschwinden so abgeblockt hatte. Nun sah ich sie zum ersten Mal seit Langem an und stellte fest: Sie wirkte erschöpft, als wäre ihr ihre ansonsten überschäumende Lebensfreude abhandengekommen. Das war mir zuvor gar nicht aufgefallen. Ich war zu sehr mit mir und dem Bedürfnis, alles auszublenden, beschäftigt gewesen. Jetzt erst begriff ich, wie sehr meine Eltern mit Rufus und mir gelitten hatten.
    Außerstande etwas zu sagen, nahm ich meine Mutter in die Arme. Eine Welle von Schuldgefühlen überrollte mich, als sie die Umarmung erwiderte und sich wie eine Ertrinkende an mich klammerte. Nach einer Weile lockerte sich der Griff um meine Kehle und ich sagte leise: »Es tut mir leid. Ich wollte dir keine Sorgen machen.«
    Meine Mutter schniefte und schaute mir geradewegs in die Augen. »Das weiß ich doch, Liebling. Dein Vater und ich haben ja auch akzeptiert, dass du dich in einen Schutzpanzer zurückgezogen hast, nachdem Sam verschwunden ist. Aber glaubst du nicht auch, dass es an der Zeit ist, ihn aufzubrechen? Wenigstens ein kleines bisschen?«
    Obwohl mir bei ihrer Bitte bange zumute war, nickte ich. »Ich werde mir Mühe geben.«
    »Wunderbar«, flüsterte meine Mutter und ein Hauch von ihrem alten Strahlen kehrte in ihr Gesicht zurück.

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