Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe - Heitmann, T: Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe
Schattenschwingen, der es vermutlich gelingen würde, sich einen neuen Körper zu suchen, wenn der alte nicht länger zur Verfügung steht. Du hast einen Schatten auf Nikolai geworfen, nicht wahr, Ask?«
Innerhalb eines Herzschlags verschwand das Lächeln von seinem Gesicht und ich wollte schon in Panik aufschreien, als sich anstelle der erwarteten Wut offene Verblüffung ausbreitete. »Diesen Namen habe ich seit einer Ewigkeit nicht mehr gehört. Hat Shirin ihn dir verraten?« Er wartete keine Antwort ab, sondern nickte vor sich hin, während seine nun kalten Silberaugen auf mir lagen. Von dem Feuerreif, von dem Nikolais Augen umkränzt gewesen waren, war keine Spur mehr zu entdecken. Das, was eine Schattenschwinge ausmachte – ihre Aura und ihre Pforte – waren nun ganz auf diesen Geist aus der Vergangenheit geeicht. »Ask … so hieß der erste Mann. Zumindest glaubten das die Menschen, die mich in ihrer Welt in Empfang genommen hatten. Ask … das war einmal ein Teil von mir … der Beginn oder vielmehr die Vorstufe der Schattenschwinge, zu der ich mich gemacht hatte. Es ist gut, dass du diesen Namen wieder ins Spiel bringst, auch wenn ich ihn nicht wieder benutzen werde. Denn genau auf dieser Stufe, auf der Ask sich einst befunden
hat, bin ich allem Anschein nach wieder angekommen. Dieser Körper, den ich mir genommen habe, ist von der Macht noch vollkommen ungezeichnet. Noch.«
»Du hast diesen Körper geraubt! Er gehört Nikolai, du hast nichts in ihm zu suchen, geschweige denn, dass du irgendein Recht dazu hättest, ihn zu zeichnen. Ich habe gesehen, wie du deinen alten Körper gezeichnet hast: Du hast dabei andere Schattenschwingen um ihre Kraft gebracht. Du bist ein gemeiner Dieb und Mörder.«
Die Gleichgültigkeit, mit der Ask über meinen Wutanfall hinwegging, ließ mich meine Angst vergessen. Mein Zorn wurde noch dadurch geschürt, dass er meine Reaktion anscheinend ausgesprochen amüsant fand. Mit der Andeutung eines Lächelns blickte er auf mich herab, als wäre ich nicht mehr als ein bockiges Kind, das sich aufspielte.
»Einmal davon abgesehen, dass es mir vollkommen gleichgültig ist, ob ich das Recht dazu habe oder nicht, musst du dich nicht so echauffieren«, erklärte Ask mit der Selbstverständlichkeit jener Leute, die sich aus Prinzip überlegen fühlen. »Ich hatte nämlich den Eindruck, dass unser Freund Nikolai mir nur allzu gern das Steuerrad überlassen hat. Er war ein schwermütiges Kerlchen. Zu Anfang hat er noch Widerstand geleistet, gehofft, es gäbe einen wahren Neuanfang für ihn. Er wollte nur dann auf mich hören, wenn es ihm passte, etwa als ich ihm den Bernsteinring gezeigt habe oder als ich ihm zugeflüstert habe, dass er dir nah sein will. Ansonsten wollte er sich meinem Einfluss entziehen. Deshalb ist es auch zu dieser chaotischen Situation bei den Wellenbrechern gekommen.« Asks Mundwinkel zuckten nach oben, gerade so, als halte er Nikolais Widerstand für eine alberne Kinderei. »Danach hat er sich allerdings rasch geschlagen gegeben. Als Kastor sich in eurem Haus von ihm verabschiedete, hat Nikolai sich endgültig aufgegeben und
mir ganz das Feld überlassen. Eigentlich habe ich ihm einen Gefallen getan, schließlich war er seiner selbst überdrüssig.«
Ich konnte kaum glauben, was diese Schattenschwinge da eingestand, ohne auch nur einmal mit der Wimper zu zucken. » Du hast Nikolai umgebracht, weil er sich nicht dagegen gewehrt hat?«
Kopfschüttelnd seufzte Ask. »Nicht umgebracht, du dummes Ding, sondern verdrängt. Und das bisschen an wertvoller Substanz, das übrig geblieben war, habe ich umgeformt. Aber ich will mich nicht beschweren. Wäre Nikolais Persönlichkeit gefestigter gewesen, dann wäre er gewiss niemals auf die Idee verfallen, ins Weiße Licht zu gehen. Das war meine Rettung – obwohl er bestimmt etwas anderes mit seinem Tun beabsichtigt hatte. Selbst sein Sterben hat er nicht ordentlich hinbekommen.« Asks herablassender Gesichtsausdruck wollte so gar nicht zu den makellosen Gesichtszügen passen. »Bevor Nikolai nämlich der auslöschenden Wirkung des Grenzgebietes zum Opfer fiel, geriet er in die Nähe meines Gefängnisses und damit in den Bann, mit dem Shirin es umgeben hatte. Unser guter Nikolai versteinerte und schwebte um meinen Leib herum wie ein Komet um einen Planeten. Leider sind wir beide dann dank Kastors übereifrigen Vorgehens abgedriftet, bis wir schließlich an den Rand des Vernichteten Gebiets eingedrungen sind. Ich hatte die
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