Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe - Heitmann, T: Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe
Dabei büßt man empfindlich an Kraft ein, darum wurde sie selbst zu Kriegszeiten so gut wie nie angewendet. Es sei denn, man gehörte wie der Schatten zu der hemmungslosen Sorte, die sich ohnehin an der Aura der anderen bedient. In Shirins Herz steckt eine Klinge, die sie allmählich erlöschen lässt, wenn wir sie nicht bald rausholen. Es wundert mich, dass sie so langsam wirkt. Als solle Shirin allmählich zu Grunde gerichtet werden.
»Oder es ging ihrem Angreifer vor allem darum, sie zu quälen.«
Ich legte meine rechte Hand auf die Eintrittswunde. Die beringte Hand zu nehmen, erschien mir keine sonderlich gute Idee. In der Sekunde, in der ich Shirins schokoladenfarbene Haut berührte, wusste ich, warum. Woraus auch immer die Waffe geschmiedet worden war, sie zielte darauf ab, die Aura des Getroffenen in sich aufzunehmen und sie gegen ihn selbst zu wenden. Diese Waffe führte dazu, dass Shirin sich selbst vernichtete.
Ehe ich mich versah, drangen meine Finger in die Wunde ein und ich ertastete eine Art Stab, der sogleich gierig nach meiner Aura griff. Ein widerliches Brennen stach in meine Fingerspitzen, doch ich ließ nicht nach und schließlich gelang es mir, den Stab zu bewegen. Allerdings nur ein winziges Stück, dann war ich gezwungen loszulassen, weil es mich zu viel Kraft kostete. Ich krümmte mich und pustete auf meine Finger. Noch lieber hätte ich meine geschwächte Aura an die Steckdose getan, damit sie wieder strahlte.
Das hast du gut gemacht. Du zeigst wirklich eine außerordentliche Begabung. Kein Wunder, dass der Schatten dich auserkoren hatte. Auch wenn es dauern mag, dir wird es gelingen, die Waffe zu ziehen.
So schwer es mir auch fiel, es mir einzugestehen, aber ich konnte das jetzt nicht tun. Ich musste sofort zu Mila. »Du musst dich darum kümmern«, forderte ich Kastor auf. »Sorg du dafür, dass Shirin sich erholt und ich geh zu Mila.«
Mein Vorschlag gefiel Kastor nicht im Geringsten. Nikolai ist mein Schützling, ich schulde ihm meine Unterstützung. Außerdem magst du zwar deutlich weniger Erfahrung mit derlei Dingen haben, das ändert jedoch nichts daran, dass du der Begabtere von uns bist. Eine solche Klinge zu ziehen, ist eine
Herausforderung, auch wenn ihre Wirkung sich lediglich verzögert auswirkt. Shirin braucht dringend Hilfe. Deine Hilfe.
Als sei damit alles geklärt, wollte Kastor aufstehen, aber ich hielt ihn fest, auch, als er sich dagegen zur Wehr setzte. Unsere Auren prallten aufeinander wie zwei Wetterfronten und lösten ein mentales Donnern aus. Bei diesem Kräftemessen sollte Kastor recht behalten: Ich war der Begabtere. Unter anderen Umständen hätte ich eine solche Meinungsverschiedenheit anders gelöst, jetzt fehlte mir dafür schlicht die Zeit.
»Kümmere du dich um Shirin und ich nehme mich des Schattens an. Wenn er dazu fähig ist, eine solche Waffe zu formen, dann bist du in einem Kampf gegen ihn noch viel eher verloren als ich«, sagte ich zu Kastor, der sich mit schmerzverzerrtem Gesicht die Schläfen hielt. Ich wartete seine Reaktion nicht ab, sondern stand auf. »Einmal davon abgesehen, dass es unwahrscheinlich ist, dass von Nikolai mehr als sein Körper übrig geblieben ist. Es tut mir leid.«
Ich griff bereits nach dem Saum meines Pullovers, als Rufus mir einen Vogel zeigte. Das Kräftemessen, das gerade in seiner unmittelbaren Nähe stattgefunden hatte, schien ihn nicht sonderlich beeindruckt zu haben. »In St. Martin wird nicht herumgeflogen, schon gar nicht am helllichten Tag. Mit dem Mist fangen wir überhaupt nicht erst an. Du kannst meinen Wagen nehmen. Allerdings verlange ich einen Preis dafür: Ich will mit in die Sphäre.«
»Vergiss das mal ganz rasch wieder.« Allein bei der Vorstellung, Rufus einer solchen Gefahr auszusetzen, drehte sich mir der Magen um.
Ich drehte mich um und wollte losgehen, da packte Rufus mich hart am Arm und ehe ich mich versah, hatte er mich im Schwitzkasten. »Du kannst mich nicht einfach abschieben. Es geht um meine Schwester … und auch um dich. Ich
habe ein verdammtes Recht darauf, mit von der Partie zu sein.«
Zu meinem Entsetzen klang Rufus auf eine Weise entschlossen, die keinen Zweifel aufkommen ließ: Er würde sich nicht umstimmen lassen. Kurz schimmerte die verführerische Idee auf, ihn mitzunehmen. Der Berührung der Menschen wohnte in der Sphäre eine ganz eigene Magie inne. Allein die Erinnerung daran, wie berauschend es sich angefühlt hatte, Mila zu berühren, löste einen Glückstaumel bei
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