Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe - Heitmann, T: Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe
tu mal nicht so, als hättet ihr die Idee vor mir gehabt. Das ist nicht fair.«
Da Berührungen in der Menschenwelt nicht annähernd an die Intensität in der Sphäre heranreichten, streckte ich mutig meine Hand aus und wuschelte ihm durchs Haar. »Keine Angst, der Ruhm für diese Tat gehört allein dir, du tapferer Ritter. Noch in Jahrhunderten werden sie deinen Edelmut besingen.«
»Das ist ja wohl das Mindeste«, antwortete Ranuken schlagfertig und blies sich die Fransen aus der Stirn. »Vielleicht sollte ich jetzt einmal an Madames mentale Pforte anklopfen, damit sie uns mit ihrer Anwesenheit beehrt. Gibst du mir Rückendeckung, wenn ich Shirins Aura berühre? Bei ihr kann man nämlich nie wissen.«
8
Heißgeredet
Etwas Mächtiges hatte die Grundmauern seines Gefängnisses erschüttert.
Dabei war es nur ein tastendes Suchen gewesen. Jemand war ins Weiße Licht eingedrungen und hatte nach ihm gesucht. Oder vielmehr nach dem, was von ihm übrig geblieben war. Nach seinem Besuch der letzten abendlichen Versammlung hatte er auch eine Ahnung, um wen es sich dabei handeln könnte. Wie auch immer, in seinem Kerker hatte er letztendlich nur die Ausläufer dieser Suche zu spüren bekommen. Zu weit war sein nutzloser Leib im Laufe der Zeit hinter den magischen Grenzwall abgedriftet, als dass er ohne Weiteres zu erreichen gewesen wäre. Ansonsten hätte er gewiss längst schon einen Weg zum Ausbruch gefunden.
Zu seinem Entsetzen jedoch hatte die Suche eine Bewegung im Weißen Licht ausgelöst, die seinen Leib noch weiter abtreiben ließ. Der Sog des Vernichteten Gebiets, in den er geraten war, ließ das brennende Licht seines Gefängnisses verbleichen. Was dort draußen auf ihn wartete, war mächtiger. Hätte er noch einen Mund besessen, so hätte er vor Zorn laut gebrüllt. Es brauchte nur eine solche Kleinigkeit, um ihn endgültig zu vernichten. Und das, wo er so kurz davor stand, seine Ketten zu sprengen. Das Schlimmste daran war für ihn, dass er nichts dagegen tun konnte. Seine Hilflosigkeit war unerträglich. Er würde mit diesem Körper untergehen. Nicht einmal die Träume der Menschen würden ihn dann noch retten können.
Sam
Kühle fiel auf mein erhitztes Gesicht und riss mich aus dem Sog aus Schwarz und Weiß, aus dem meine Träume seit meinem Wechsel in die Sphäre bestanden.
Ein Schatten, schoss mir durch den Kopf, das muss ein Schatten sein, der auf mich gefallen ist.
Bevor ich die Augen aufschlug und damit verriet, dass ich aufgewacht war, versuchte ich mich zu erinnern, wo verflixt noch mal ich eigentlich eingeschlafen war. Anstelle einer Erinnerung meldete sich mein komplett schmerzender Körper – und da wusste ich es wieder: Asami hatte mich am Morgen in einer Höhle unter der Klippe ohne mein Wissen gegen einen Lichtfresser antreten lassen. Ohne jeden Skrupel, damit ich meine Schwertkunst auf Schattenschwingenniveau brachte. Und anschließend hatten wir uns gegen die aufkommende Flut den Weg zurück ins Freie ertrotzt. Allein bei der Erinnerung daran begann es um mich herum zu brodeln und riss mit einer Kraft an mir, wie sie nur das Wasser hatte. Ein fieser Höllentrip. Irgendwie war es uns schließlich gelungen, den Ausgang der Höhlenwelt zu erreichen, von wo aus ich mich mit letzter Kraft an den Strand geschleppt hatte.
Ich musste also unbedarft wie ein Neugeborenes am Strand eingeschlafen sein. Keine schöne Situation für jemanden, der nicht ausschließlich von Freunden umgeben war.
Verzweifelt versuchte ich so etwas wie Anspannung in meine müden Knochen zu bekommen, um mich gegebenenfalls mit einem schnellen Sprung in Sicherheit zu bringen, bevor eine feindlich gesinnte Schattenschwinge ihre Chance wahrnehmen konnte, wenigstens einem der Unruhstifter, die den Dornröschenschlaf der Sphäre beendet hatten, den Garaus zu machen.
Gerade als ich mein Gewicht auf die Seite verlagerte, erreichte mich eine vertraute Stimme: »Wie tief kann man am helllichten Tage eigentlich schlafen?«
»Verdammt tief, wenn Asami einen vorher in den Fingern hatte.«
Ich blinzelte, obwohl Kastor sich mit ausgebreiteten Schwingen vor mir aufgebaut hatte und so das Sonnenlicht abschirmte, das nun doch noch seinen Weg durch die Wolkendecke gefunden hatte. Mit einem verächtlichen Zug um die Lippen musterte mich der Spartaner, der meine Erschöpfung vermutlich für einen Charakterfehler hielt. Von Asami war unterdessen nichts zu sehen. Zu meiner Erleichterung hatte er mir jedoch das Übungsschwert dagelassen.
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