Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe - Heitmann, T: Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe
stockte und dann merklich ruhiger wurde. Trotzdem packte ich ihn am Arm.
Er drehte sich zu mir um. »Samuel, ich bin nicht erschienen, um Kummer zu verursachen. Lass es mich wiedergutmachen. Du weißt, wie begabt ich darin bin. Ich werde die Ängste dieses Mädchens wegwischen, damit sie erkennen kann, was wir wirklich sind.«
»Der Kerl wird gar nichts bei Lena wegwischen!« Rufus war aufgesprungen und schneller bei uns, als ich blinzeln konnte. Bedrohlich baute er sich vor Nikolai auf, der verblüfft den Kopf einzog.
»Er kann unmöglich echt sein. Unmöglich. Das gibt es nicht. Nein. Eine Täuschung, unecht.« Sobald Nikolai nicht mehr auf sie einredete, gingen Lenas Nerven wieder mit ihr durch.
»Hör mal zu, du Möchtegern-Erscheinung, du kannst nicht einfach jemandes Erinnerungen wegwischen. Was bildest du dir eigentlich ein?«
Man sah Rufus an, dass er kurz davor war, Nikolai einen Schlag vor die Brust zu versetzen. Offensichtlich hatte er nicht vergessen, wie sehr es ihm zugesetzt hatte, als ich ihm seine Erinnerung gelöscht hatte. Wenn er wirklich die Beherrschung verlor, dann war ihm der sichtlich irritierte
Nikolai kaum gewachsen. Oder im Zweifelsfall eben doch. Rasch drängte ich mich dazwischen, obwohl Mila mich zu sich rüberwinkte. Lenas Redetempo beschleunigte sich nämlich fast noch mehr als ihr Atem. Wirr stammelte sie vor sich hin und sah zugleich aus, als bliebe ihr fast die Luft weg. Mit unserer Einschätzung, dass jemand wie sie mit dem Einbruch des Unwirklichen in ihr Leben schwer zurechtkommen würde, hatten wir zweifelsohne richtig gelegen. Als Ranuken sich ihr vorsichtig näherte, um sich wie ein Schild vor sie zu schieben, damit sie den weiterhin hell leuchtenden Nikolai nicht länger anstarrte, schrie sie panisch auf und schlug blindlings nach ihm.
»Gar nicht gut«, flüsterte ich, dann sagte ich laut, an Rufus gewandt: »Hör jetzt auf damit. Dieses Theater macht nur alles schlimmer. Ich muss zu Lena rüber, also reiß dich gefälligst zusammen.«
Doch Rufus hatte nicht vor, mich gehen zu lassen. »Du wirst ihr nicht die Erinnerung rauben. Es ist grausam, wenn einem ein Stück von sich selbst verloren geht.«
»Das ist doch gar nicht nötig«, mischte Nikolai sich ein. Er hatte ein bezauberndes Lächeln aufgesetzt, allerdings waren in diesem Augenblick weder Rufus noch ich empfänglich dafür. »Warum die Erinnerung nehmen, wenn man bloß die Angst in ein gutes Gefühl zu verwandeln braucht? Wenn man Licht dorthin bringt, wo Schatten ist. So wie ich es bei dir auf dem Eiland getan habe, Samuel.«
»Aus Schwarz mach Weiß.« Die Losung kam mir über die Lippen, ohne dass ich sie verstand. Wie ein vergessenes Geheimnis, das sich mir unmittelbar offenbarte. »Hilf ihr.«
Nikolais Lächeln wurde breiter, dann wandte er sich Lena zu, die mittlerweile lautstark nach Luft schnappte, wobei sie nicht aufhörte, ihre Überforderung in Worte zu fassen. Allerdings wich sie nicht zurück, als er sich vor ihr niederließ.
»Du vertraust diesem Kerl, obwohl er für Lenas Panikattacke verantwortlich ist?«, fragte Rufus mich gereizt.
»Nikolai ist nicht gefährlich, er hat die Wirkung seines Wechsels nur falsch eingeschätzt. Er kann Lena helfen, das hat er auch bei mir gemacht. Außerdem vertraut Kastor ihm. Geben wir ihm also eine Chance, es wieder gutzumachen.«
Zögernd rutschte Ranuken beiseite, um Nikolai Platz zu machen, während Mila sich weigerte, ihrer Freundin von der Seite zu weichen. »Du darfst ihr nur die Angst nehmen, nicht mehr«, forderte sie. Dabei sah sie ihn eindringlich an.
Anstelle einer Antwort ließ Nikolai seine Aura aufflammen und ich spürte ihre sanfte Wärme, obwohl ich einige Schritte von ihm entfernt stand. Die Reste meiner Sorge, er könnte Lena mehr schaden als helfen, wurden weggefegt. Ich hörte sie wohlig seufzen und entspannte gerade meine Schultern, als sich abrupt etwas veränderte. Das lag weniger an Nikolai als an Mila, die ihn unverwandt ansah, mit einem Blick, als würde sie nicht den blonden Jungen vor sich sehen, sondern hinter seine Fassade blicken. Unter diesem Blick begann Nikolais Aura einen anderen Charakter anzunehmen. War sie eben noch angenehm und weich gewesen, so stach sie jetzt kalt. Panik stieg in meiner Kehle hoch.
Ich hatte einen Fehler gemacht!
Schreiend stürzte ich vor, aber als ich Nikolai packen wollte, prallte ich gegen ein Netz aus Eissplittern. So scharf fühlte sich die Berührung jedenfalls an. Ich starrte auf meine
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