Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse - Heitmann, T: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse

Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse - Heitmann, T: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse

Titel: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse - Heitmann, T: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
Vom Netzwerk:
schnappte verblüfft nach Luft. Woher kam nur diese plötzliche Distanz zwischen uns? »Ich kann meinen Namen nicht aufgeben, nicht einmal für dich, es tut mir leid. Wie immer er auch gelautet haben mag, ich möchte ihn zurück.«
    Zuerst dachte ich, Nikolai wollte sich auf den Knien aufrichten und damit seine schwere Last von mir nehmen. In diesem Augenblick frischte der Wind auf und verscheuchte die Klebrigkeit, die in der Luft gelegen hatte. Die Körperlosen waren fort, stellte ich erleichtert fest. Sie waren gegangen, Gott sei Dank.
    Während ich befreit durchatmete, gab Nikolai ein wütendes Schnauben von sich. »Du willst meinen Namen also nicht«, sagte er leise, wie zu sich selbst, dann drückte er mich hart nieder. »Ich habe meine Pforte auf deinem Traum gegründet, dadurch sind wir miteinander verwoben. Du gehörst jetzt zu mir, für alle Ewigkeit. Weist du mich etwa zurück, willst du dich von mir lossagen, jetzt, da ich dich zu einem Teil von mir gemacht habe? Sag es mir!«
    Auf der Suche nach einer Antwort blickte ich tief in Nikolais Silberaugen und sah mein eigenes Spiegelbild in ihnen: ein verstörtes, verängstigtes Mädchen, nicht mehr als ein Schatten, dessen Umrisse sich immer weiter auflösten. »Ich kann dich nicht zurückweisen, denn es gibt mich ja gar nicht mehr wirklich, bis auf diesen winzigen Teil. Und sogar den hast du an dich gerissen und für deine Pforte genutzt«, sprach ich aus, was ich in seinen Augen erkannte. Wer auch immer ich einst gewesen war, davon war kaum mehr übriggeblieben als das Abbild meiner äußeren Hülle, alles andere hatte ich aufgegeben oder verloren, ich wusste es nicht. Und dieses Begreifen veränderte meinen Blick, er wurde scharf und durchdringend: Ich mochte sein klägliches Abbild sein, aber wir waren trotzdem nicht eins. Aus diesem Grund konnte ich seinen Namen nicht tragen, weil ich trotz allem mir gehörte, unabhängig von seiner Macht über mich. In diesem Moment fand ich die Stärke, ihn zurückzudrängen.
    »Du sperrst dich vor mir.« Anklage mischte sich mit Verwunderung, mit einer solchen Reaktion hatte Nikolai offensichtlich nicht gerechnet.
    »Ich sehe nur den Unterschied zwischen uns, schließlich kann ich nicht vollständig in dir aufgehen. Bitte erwarte das nicht von mir, schließlich bedeutet Liebe nicht, dass man vollkommen eins ist.« Der Gedanke kam mir spontan, aber er fühlte sich richtig an. »Egal wie eng man mit seinem Gefährten verbunden ist, man bleibt trotzdem noch man selbst. Du brauchst dich nicht davor zu fürchten, wenn ich meinen Kern bewahren will.«
    Als ginge von meiner Berührung plötzlich eine unerträgliche Kälte aus, wich Nikolai zurück. Unsicher richtete ich mich auf, griff nach dem Ausschnitt meines Kleides und zog ihn über meine Schultern. Der wunderschöne Stoff glitt zu Boden, dabei schillerte er zuerst silbern, dann färbte er sich blutrot. Nur ein winziger weißer Zipfel ragte hervor. Es gelang mir kaum, den Blick von ihm zu nehmen, aber ich wollte nicht, dass Nikolai das Stück Papier ebenfalls bemerkte.
    »Dein Kleid …« Nikolai brach ab, als wüsste er nicht weiter.
    Fast musste ich lachen, denn nun klang er mindestens so verwirrt, wie ich es bereits war. »Ich brauche weder einen Namen noch dieses Kleid. Der Wind fühlt sich wunderbar an. Ich wünschte, ich wäre so leicht, dass er mich mitnimmt.«
    Nikolai streckte die Hand aus und zog sie wieder zurück, als fürchtete er sich davor, mich zu berühren. Das Wirrwarr seiner Gedanken und Gefühle schlug mir entgegen, ich wehrte mich nicht dagegen, aber es kümmerte mich auch nicht. Das war er. Ich empfand anders.
    »Ich könnte in den Himmel steigen, dich tragen, wenn du das wünschst«, bot Nikolai an. Schwermut schlich sich in seine Stimme, eine gänzlich unbekannte Seite an ihm. Und doch … sie passte zu seinen schön geformten Augen, in denen nur das kalte Silber verkehrt schien. Für einen Augenblick war er ein Junge, eine einsame Schattenschwinge, die sich nach Halt sehnte. Ja, er war weit mehr als der Pfeil unter seiner Brust, auch wenn er das vor sich selbst am liebsten leugnen wollte. »Wenn du mir versprichst, mich nicht länger auszusperren, dann würde ich mein ganzes Ansinnen aufgeben und nur bei dir sein«, bot er an.
    »Dadurch würde sich nur deine Zielrichtung ändern, aber nichts an deinem Verlangen nach Absolutheit. Wir wären im Handumdrehen wieder da, wo wir jetzt schon stehen.« Es verblüffte mich, mit welcher Klarheit ich auf

Weitere Kostenlose Bücher