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Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse - Heitmann, T: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse

Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse - Heitmann, T: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse

Titel: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse - Heitmann, T: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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Kompromiss, der Nikolai jedoch nur verletzt dreinblicken ließ.
    »Ich hatte mir schon einen passenden Namen überlegt.« Ehe er ihn aussprach, legte ich meinen Finger über seine Lippen.
    »Ich kann mich vielleicht nicht vieler Talente rühmen, aber ich bin imstande, den Dingen die richtige Form zu geben.« Mit der anderen Hand berührte ich den Pfeil unterhalb seines Brustmuskels. »Oder setzt du kein Vertrauen in mich und meine Werke?«
    Unter meiner Liebkosung wich Nikolais Anspannung. »Wenn nicht in dich, in wen dann? Also gut, ich werde mich gedulden. Aber ich möchte, dass du deinen alten Namen schon jetzt gehen lässt. Überlass dich mir, mach mir dieses Geschenk.«
    Ich zögerte, doch Nikolai wartete meine Zustimmung nicht ab. Ich spürte seine Hände, seinen fordernden Körper gegen meinen, ließ zu, dass er mich zu Boden drängte und über mich kam. Spürte ihn so sehr, dass es unmöglich war, zwischen ihm und mir zu unterscheiden. Wir waren umwoben von einem Kokon aus Silber, weich gehüllt und vereint, als er die Dunkelheit in mir wachrief, damit sie mich erfüllte. Und dann gab es mich nicht mehr, zumindest kein Mädchen namens Mila. Sie verschwand hinter dem Schleier eines Schlafes, wo ein Traum auf sie wartete.

36 Die Traumpforte
    Ich fliege.
    Vollkommen frei von allen Zwängen, sämtlichen Regeln enthoben, fliege ich durch den weiten Himmel.
    Wunderschön und paradiesisch anmutend ist das Blau, das mich mit der gleichen Mühelosigkeit trägt wie auch die Wolken unter mir. Es ist leicht zu fliegen, so überraschend leicht, dass ich zu lachen beginne. Über die Freude am Fliegen, aber auch über meine Dummheit. Warum war mir zuvor nie bewusst, dass das Fliegen ein Kinderspiel ist? Nichts und niemand hält mich auf der Erde gefangen, die Schwerkraft ist eine Illusion, der wir Menschen unsinnigerweise anhängen. Hier bin ich, der lebende Beweis, dass es keiner Schwingen bedarf, um die Luft im Flug zu durchschneiden. Ich bin keine Schattenschwinge, sondern … ich …
    Wer bin ich?
    Der Himmel beginnt sich zu drehen, schnell und immer schneller, bis mir so schwindelig ist, dass ich das Oben nicht mehr von dem Unten unterscheiden kann. Die Kraft, die mich eben noch in der Luft hielt, verlässt mich schlagartig, und ich sacke in die Tiefe, stürze kopfüber, überschlage mich, bis ich plötzlich hart auf dem Grund aufkomme. Ganz ohne Schmerz, als hätte mein Flug niemals stattgefunden. Aber das hat er. Ich weiß jetzt, dass ich die Freiheit in mir trage. Sie ist ein weiter Himmel, ich sehe ihn deutlich, obwohl ich am Boden liege.
    ∞∞
    Verwirrt schlug ich die Augen auf und blickte durch einen silbrigen Schleier in Nikolais Gesicht, der über mir lag. Sogleich begannen seine Empfindungen auf mich einzuströmen, aber der Traum vom weiten Himmel war stärker. Was er mir gezeigt hatte, versetzte mich zu gleichen Teilen in Unruhe und Freude: Es gab einen Raum in meinem Inneren, der ganz allein mir gehörte und von niemand anders betreten werden konnte. Er schenkte mir Freiheit, unabhängig von dem, was mir zustieß. Diese Erkenntnis war ungeheuer wichtig und sie änderte die Lage vollkommen. Was hatte ich zu Nikolai gesagt? Meine Gabe sei es eben, den Dingen einen Ausdruck zu verleihen. Nur in einer Hinsicht hatte ich versagt, denn ich wusste jetzt zwar, dass ich tief in meinem Innersten frei war, aber wer ich war, dass wusste ich nicht. Ich hatte meinen Namen verloren.
    Nikolais Mundwinkel sanken herab und verliehen ihm einen unzufriedenen Ausdruck. »Warum bist du aufgewacht, meine Schöne? Dieser kurze Traum hat lediglich ausgereicht, um die Pforte zu öffnen. Um sie ausdehnen, braucht es weit mehr.«
    Mit dem Kopf deutete er in Richtung Turm, dessen Silberglas durchsichtig geworden war, sodass ich den blauen Himmel dahinter sah. Dann begriff ich, dass es nicht der Himmel war, den ich erblickte, sondern meinen Traum von der Freiheit. Nikolai benutzte ihn, um seiner Traumpforte eine feste Form zu verleihen. Meine Freiheit war zu seiner Freiheit geworden. Aus einem unerklärlichen Grund setzte mir das zu.
    »Ich wollte auch träumen, aber es ging nicht. Die Frage nach meinem Namen lässt mich nicht los.«
    Ein Lächeln breitete sich auf Nikolais Zügen aus. Es geriet einen Tick zu selbstgefällig. »Das braucht dich nicht zu bedrücken, ich hab doch einen Namen für dich ausgesucht. Nimm ihn.«
    »Ich will deinen Namen aber nicht.« Mein Ausbruch geriet heftiger, als Nikolai erwartet hatte, und auch ich

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