Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse - Heitmann, T: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse
Schmuckstück, dafür geschaffen, sein Dasein auf einem Podest zu fristen und bestaunt zu werden. Diesem Schwert wohnte eine Aufgabe inne, fast glaubte ich, sie zu erkennen. Wenn ich jetzt meinen Zeichenblock zur Hand gehabt hätte, hätte ich es aufgezeichnet, so, wie ich es immer tat, wenn eine Sache oder Person sich mir offenbarte. Das Schwert war für Sam bestimmt, es war mit ihm verbunden, als gehörten sie zueinander … ein merkwürdiger Gedanke, der mir trotzdem vollkommen logisch erschien. Wenn ich etwas auf meine spezielle Weise sah, hatte ich damit noch nie falsch gelegen – wie damals, als ich Sams Aura bereits gesehen hatte, als er noch nicht einmal wusste, dass es sie überhaupt gab. Auch jetzt war ich mir der Bestimmung des Schwerts sicher.
»Es ist ein Katana, das Langschwert der Samurais.«
Samurais? Das allerdings gefiel mir ganz und gar nicht. Abrupt schlug meine Stimmung um. »Ein japanisches Schwert also. Lass mich raten, wem du es zu verdanken hast: Der Todesengel Asami ist vom Himmel hinabgestiegen und hat es dir gegen deinen Willen in die Hand gedrückt. Ich hoffe, sein himmlischer Auftrag lautet nicht, mir verruchtem Menschenkind den Kopf abzuschlagen.« Es klang witzig, war aber nicht im Geringsten so gemeint, und das wusste Sam auch. Statt einer Antwort warf er mir einen bittenden Blick zu. Ich aber verschränkte demonstrativ die Arme, schließlich hatte ich mit diesem selbst ernannten Samurai bereits einschlägige Erfahrungen gemacht. »Du magst Asami vertrauen, aber von mir kannst du das auf keinen Fall verlangen. Bei einem solchen Menschenhasser weiß man nie. Was wollte der überhaupt von dir, ich meine, außer dich mit einer tödlichen Waffe auszustatten?«
Sams Finger strichen über die Klinge, in der sich der Schein seiner Aura spiegelte.
Plötzlich tat es mir leid, den Moment mit meinem Argwohn ruiniert zu haben, aber allein der Name Asami brachte mein Blut zum Kochen. Diese Schattenschwinge hatte versucht, mich zu töten, weil ich ein Mensch war – so viel stand fest. Mittlerweile kam mir allerdings auch der Verdacht, dass Asami einen ganz anderen Grund hatte, gegen unsere Liebe zu sein. Ein Verdacht, den ich an nichts Richtigem festmachen konnte, höchstens daran, wie Sam jedes Mal reagierte, wenn die Rede auf den Ersten Wächter kam: nämlich ausweichend. Auch jetzt schwieg er und erhärtete damit meine Vermutung.
»Geschenke von jemandem wie Asami anzunehmen, finde ich – ehrlich gesagt – ziemlich naiv. Ich möchte nicht wissen, was du ihm dafür schuldig bist, der drückt dir doch nicht einfach for free ein solches wertvolles Schwert in die Hand.«
Endlich hob Sam den Blick und sah mich eindringlich an. »Asami hat dieses Katana zwar geschaffen, aber es gehört mir. Das war ihm von Anfang an bewusst, sonst hätte er nicht meinen Namen ins Griffstück gemeißelt. Für mich ist es nicht von Bedeutung, wer es geschaffen hat, sondern dass es nach mir ruft. Es ist wie bei unseren Ringen: Bei denen spielt es auch keine Rolle, wem sie einst gehörten, sie symbolisieren unsere Liebe und stärken sie zugleich.«
Bei dem Verweis auf den ursprünglichen Besitzer der Ringe, die uns miteinander verbanden, fuhr ich zusammen, während Sam meinen Blick hielt, um zu unterstreichen, wie gleichgültig ihm der Schatten war. Der Schatten hatte keine Macht mehr, nicht über uns und schon gar nicht über unsere Liebe … Wenn ich das doch auch nur glauben konnte! Aber Glauben und Wissen waren zwei verschiedene Paar Schuhe.
»Ich möchte dem Katana einen Namen geben, damit es wirklich mir gehört, und das wollte ich gern mit dir zusammen tun. Mir ist klar, dass das alles seltsam für dich sein muss, und ich erklär dir gern, wie es dazu gekommen ist, dass ich es überhaupt in Händen halte … falls du die Geduld zum Zuhören aufbringst.«
Verlegen rutschte ich auf der Decke herum. Sam war gekommen, um etwas Wichtiges mit mir zu teilen, und ich spielte mich auf wegen meiner dämlichen Eifersucht, die ich mir selbst nicht anständig erklären konnte. »Tut mir leid, dass ich so patzig gewesen bin. Natürlich höre ich dir zu. Immer. Ich will einfach alles erfahren über dich, jede winzige Kleinigkeit.«
»Gut, das zu wissen.«
Sams Lächeln war so breit und offen, dass ich erleichtert aufatmete. Allerdings nur kurz, denn was er mir dann über Wolkenportale, seinen Besuch in der Sphäre und die gemeinsame Vergangenheit von Menschheit und Schattenschwingen erzählte, sorgte bei mir für
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