Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse - Heitmann, T: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse
Schnappatmung. Es hatte nicht nur ein gemeinsames Leben gegeben, die beiden Welten waren sogar durch Brücken miteinander verbunden gewesen! Am meisten begeisterte mich die Vorstellung, dass die Schattenschwingen sich uns gegenüber nicht als Überlegene aufgespielt, sondern uns als gleichrangig betrachtet hatten. Neben dem, was Sam erlebt und in Erfahrung gebracht hatte, war mein Besuch bei Shirin eine Nebensächlichkeit.
»Ich kann es kaum glauben, was du mir erzählst. Also … Wow! Da lässt man dich an einem harmlosen Paddelausflug teilnehmen und dann kommt so was dabei heraus.«
»Meinst du, es wäre besser gewesen, du hättest mich nicht gehen lassen?«
Ich schüttelte den Kopf. »Ganz und gar nicht. Mir ist zwar nicht wohl bei dem Gedanken, dass es ausgerechnet Asami war, der die Schattenschwinge in dir wieder hervorgelockt hat, aber ich bin wirklich froh darum. Seit du den Entschluss gefasst hattest, die Sphäre hinter dir zu lassen, habe ich dir immer wieder angemerkt, wie unglücklich dich das macht. Die ganze Zeit über wollte ich dir schon sagen, dass meine Haltung sich mit etwas Abstand zu dem Schock, der mit der Sphäre und noch mehr mit dem Schatten über mich gekommen ist, geändert hat. Mittlerweile sehe ich auch wieder die hellen Seiten der Sphäre. Und ich weiß, erst Schwingen und Aura machen dich vollständig, genau wie es für dich wichtig ist, dich in der Sphäre aufzuhalten.« So weit, so gut. Nun folgte der schwierige Teil.
»Außerdem muss ich dir etwas gestehen«, druckste ich herum und begann nervös am Deckensaum zu zupfen, obwohl Sam mir meinen Besuch bei der Sternwarte wohl kaum übelnehmen würde.
»Mila, komm schon. Erzähl es mir«, forderte Sam mich auf.
Als wenn das so einfach wäre … Ich wünschte mir, er würde das Katana zurück in seine Scheide stecken, damit ich bei ihm Halt suchen konnte. Denn einfach so über die Klinge hinwegzufassen, traute ich mich nicht. Leider interpretierte Sam mein Unwohlsein falsch.
»Egal um was es geht, es wird kaum wilder sein als mein Einknicken auf der ganzen Linie.«
»Wusstest du, dass man eine Aura prägen kann?«, tastete ich mich voran.
Sam zog die Stirn kraus. »Ich habe es schon einmal erlebt, als Nikolai mir geholfen hat, über meinen Kummer hinwegzukommen. Es war eine Art Nebeneffekt seiner Hilfestellung. Wenn man jemanden einlässt und ihm das Recht zugesteht, einen über die Aura zu berühren, dann kann er eine Spur hinterlassen.«
»Genau das hat der Schatten bei Shirin getan, wobei es deutlich mehr als nur eine Spur war. Er hat ihr regelrecht seinen Stempel aufgedrückt, und ich habe ihn entdeckt, als ich eine Zeichnung von ihr angefertigt habe. Dieser Stempel ist … ich weiß nicht … wie eine Pforte zu ihr. Shirin hat sie mich einmal durchqueren lassen, damit ich ihre Geschichte mit dem Schatten erfahre. Und dieses Mal habe ich sie genutzt, um sie zu finden, weil ich mir solche Sorgen um sie gemacht habe.« So, jetzt war es endlich raus. Innerlich wappnete ich mich gegen Sams Ansage, was ich mir dabei bloß gedacht hätte.
»Du hast nach einer Möglichkeit gesucht, um Kontakt zu Shirin aufzunehmen?« Ob nun mit Absicht oder nicht, es war unmöglich, aus Sams Stimmlage Rückschlüsse zu ziehen.
»Ja, das habe ich … und ich habe sie gefunden. Gleich nachdem du mit Toni fortgegangen bist.«
»Du warst bei Shirin!«
Sam schnellte hervor und schloss mich fest in seine Arme. Ich hörte ein Geräusch, wie wenn die Luft durchschnitten wird, und blickte auf seine ausgebreiteten Schwingen. Ja, er steckte ohne jeden Zweifel wieder in seiner Schattenschwingen-Haut. Dann erwiderte ich die Umarmung und flüsterte ihm ins Ohr, wie ich den Nachmittag verbracht hatte.
»Du kannst also verstehen, warum ich mich so verhalten habe?«, fragte ich abschließend.
»Voll und ganz.« Vorsichtig löste Sam sich wieder. »Und noch mehr als das bin ich erleichtert. Nach meiner Rückkehr aus der Sphäre habe ich nämlich als Erstes versucht, Kastor zu erreichen, aber er hat sich vollkommen vor mir verschlossen.«
»Vermutlich dachte er, du willst ihm die Meinung geigen. Oder er wollte mir nicht die Chance nehmen, als Erstes mit dir zu reden«, mutmaßte ich.
»Wie auch immer, mir fällt jedenfalls ein Stein vom Herzen. Den beiden meine Hilfe zu verweigern, hat mir mehr zugesetzt, als ich dir sagen kann. Einmal davon abgesehen, dass dieser Quatschkopf Ranuken mir grauenhaft fehlt. Morgen werde ich alles wiedergutmachen.« Sam blickte
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