Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenseelen Roman

Schattenseelen Roman

Titel: Schattenseelen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga Krouk
Vom Netzwerk:
Kräfte erwachten in ihr. Sie wuchs, und bald erinnerten ihre Gegner hinter dem Schleier sie bloß an Erdmännchen, die auf den Hinterpfoten reckend ihre Nasen im Wind drehten. Sie könnte sie mit einem Tritt zerquetschen.
    Evelyn schritt aus dem Nebel, und die Schar der Erdmännchen stob auseinander.
    »Sie ist eine Hexe!«, rief eine Frau mit einem Luchs an ihrer Seite mit schrillender Stimme. Sie starb als Erste. Evelyn packte sie mit einer Hand und knickte
den Körper wie ein Streichholz. Das Geräusch des brechenden Rückgrats ging in verzweifelten Schreien und Rufen unter. Der Luchs hechtete auf sie zu, aber es bedurfte bloß eines Schnippens, um das Tier gegen die Wand zu schmettern und ihm alle Knochen zu brechen.
    Schüsse hallten. Einige Metamorphe feuerten auf sie, aber der Kugelhagel zerfiel zu Staub, bevor er Evelyn erreichen konnte. Vögel brausten im Sturzflug auf sie zu. Ein Wink mit der Hand, und die Tiere klatschten eines nach dem anderen auf den Boden.
    Linnea zückte ein Messer. Das Khukuri! Ihr Gesicht, aus dem jegliche Überheblichkeit und jeder Spott gewichen waren, zeigte Entschlossenheit. Die Waffe sauste durch die Luft. Evelyn fing das Messer auf, das sich sofort ihrer Hand anpasste.
    »Danke, ich habe mich schon gefragt, wo ich es verlegt hatte.« Die Worte donnerten durch den Saal wie die Posaunen von Jericho, und die Grundmauern des Pesthofes erzitterten. Eine gewaltige Stimme, die nicht mehr Evelyn gehörte, dröhnte: »Es ist übrigens eine Hiebwaffe und kein Bumerang.«
    Linnea taumelte zurück. Die Metamorphe traten vor ihre Königin, um sie zu beschützen. Keine Offensive mehr. In jedem Gesicht las Evelyn nur einen einzigen Wunsch: aus diesem Saal lebendig herauszukommen. Aber das würden sie nicht. Mit ihrem Khukuri schnitt sie durch die Menge wie mit einer Sense. Ein Blutstrom spülte über die Steine am Boden, die Metamorphe
knickten ein wie Grashalme. Schreie und Stöhnen der Sterbenden liebkosten ihre Ohren. Während einige noch kämpften, versuchten die anderen, ihre Königin in Sicherheit zu bringen.
    Evelyn schlug gegen eine Säule. Steine polterten den Fliehenden in den Weg. Ein weiterer Vogelschwarm lenkte ihre Aufmerksamkeit ab. Sie hob die Arme, und der Nebel stieg empor. Die Rauchpranken packten die Vögel an Beinen und Flügeln und zogen sie in die schwarzen Wogen. Die Tiere flatterten und kreischten, während die Federn verglühten und die aufplatzende Haut entblößten. Das Fleisch löste sich von den dünnen Knochen, die kurz darauf zerbröselten.
    Die Metamorphe flohen. Evelyn lachte, ohne Herrin ihrer selbst zu sein. Sie drehte sich und tanzte, trampelte mit ihren riesigen Füßen über die Toten und Sterbenden. Knochen knirschten unter ihren Sohlen, der Boden fühlte sich glitschig an von Blut und Fleisch. Sie sah kaum etwas, wirbelte immer schneller und lachte, betrunken vom Geruch des Todes.
    Bis ein Gedanke ihr Hirn durchzuckte: Adrián!
    Ihr Fuß verharrte über ihm, fast hätte sie auch ihn niedergetrampelt. Sie sah, wie er aufwachte. Zusammen mit ihm kam die wahre Evelyn zu sich. Was hatte sie nur getan? Warmes Blut klebte an ihren Füßen und tropfte herunter. Der Boden war von Leichen übersät, die meisten glichen kaum noch menschlichen Überresten. Nein, das konnte unmöglich sie gewesen sein!

    Der Nebel verschwand. Ein Schatten nach dem anderen strömte aus ihrem Körper und ließ sie endlich frei. Evelyn brach zusammen.
    » Mi vida !« Der Ruf kam von weit her. Verschwommen sah sie Adriáns Gesicht. Mit letzter Kraft drehte sie den Kopf weg, unfähig, ihm in die Augen zu schauen. Durch den Gang sah sie einen weiteren Trupp der Metamorphe heranrücken. Dann wurde sie von Schwärze verschluckt.

28. Kapitel
    I m ersten Moment wusste Adrián nicht, wo er sich befand. Das Letzte, woran er sich erinnern konnte, war Evelyns Kuss, den er immer noch auf den Lippen schmeckte, und sein Verlangen nach ihrem Atem des Lebens, das ihn in der gleichen Sekunde befallen hatte. Er hatte dagegen gekämpft … und verloren.
    Die Angst um Evelyn wallte über ihn. Er wollte aufspringen, doch sein gemarterter Körper gehorchte ihm nicht, und er fühlte sich darin eingeschlossen wie in einem Sarkophag. Verzerrte Schemen schwammen über ihm, eine Erscheinung davon gewaltig wie die Elbphilharmonie und genauso unwirklich. Was es war, vermochte er nicht zu erkennen. Der Blutgeruch schwängerte die Luft, als läge er inmitten eines Schlachthofs, und wenn er die Finger bewegte,

Weitere Kostenlose Bücher