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Schattenseelen Roman

Schattenseelen Roman

Titel: Schattenseelen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga Krouk
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Hundes hineingesaugt. Wildheit befiel ihn, Lust nach Jagd und Freiheit. Mit jeder Verschmelzung nahm er mehr von dem Hund in sich auf. Er fragte sich, wie lange es dauern würde, bis er sich gänzlich in ein wildes Tier verwandelte. Mit Mühe kämpfte er gegen die animalischen Triebe an und spürte, wie sie die Überhand zu gewinnen drohten.
    Das Kätzchen miaute. Kilian sprang auf seine vier Beine und lief mit einem Grollen auf das Tier zu, mit nur einem Ziel: es zu zerfleischen. Das Maul weit aufgerissen, wollte er nach dem Pelzball schnappen, mit einem Biss sein Genick brechen. Das Kätzchen hechtete ihm entgegen. Die kleinen Tatzen krallten sich in seine Nase. Der Schmerz durchzuckte ihn. Er winselte auf und machte einen Satz nach hinten, während das Fellknäuel mit kämpferischem Fauchen nach ihm schlug.

    Kilian floh aus dem Transporter. An der Hausecke schaute er zurück. Das Kätzchen rollte sich auf der Brust seines menschlichen Körpers zusammen, als wollte es ihn beschützen.
    Die Sonne brannte auf ihn nieder. Das dichte Fell glich einem Pelzmantel, in dem er mitten im Hochsommer einen Marathon hinlegen musste. Er öffnete das Maul, streckte die Zunge heraus und hechelte. Die hereinströmende Luft brachte etwas Erleichterung.
    Kilian trottete die Straße entlang. Die Geräusche, mehrfach verstärkt, malträtierten sein Gehör. Bald kam er zum ersten Supermarkt. Allerlei Gerüche flossen in seine Nase, den der Schwangeren konnte er allerdings nicht ausmachen. Entweder war sie noch nicht da, oder er stand vor dem falschen Laden. Auch das konnte passieren. Kilian huschte in das Geschäft. Akribisch achtete er auf jede Einzelheit, sei es nur ein Fleck auf dem Boden. Aus seiner Perspektive erschien ihm alles zu groß und irgendwie falsch, die Menschen registrierte er nur an ihren Schuhen und Gerüchen.
    Vor dem Obststand stellte er sich auf die Hinterläufe und beäugte die Anordnung der Ware. Nein, das war eindeutig der falsche Laden.
    Kilian lief zum Ausgang. Ein Mitarbeiter, der mit einem Cutter Pappkartons aufschlitzte, bemerkte ihn.
    »He, wem gehört der Hund?«, rief er. »Hunde müssen draußen bleiben!«

    Kilian bemühte sich, ihn nicht zu beachten und zum Ausgang zu gelangen. Dafür musste er an dem Mann vorbei. Dieser stolperte rückwärts und schleuderte einen leeren Karton nach ihm. Zugegeben, ein tschechoslowakischer Wolfshund flößte Respekt ein, aber gleich mit der Pappe um sich zu werfen? Kilian huschte den Gang entlang, als ein zweiter Karton ihn am Rücken traf. Das war zu viel. An einem Süßigkeitenstand hielt er an, hob das hintere Bein und urinierte auf die Bonbontüten. Zu schade, dass er nicht grinsen konnte.
     
    Die Spur witterte er erst am dritten Laden, den er aufsuchte. Bereits auf dem Parkplatz roch er die Schwangere. Dazu mischte sich der Gestank nach etwas Süßem, so intensiv, dass Kilian glaubte, allein vom Riechen Karies zu bekommen. Die Schokoladenfabrik.
    Bei den Einkaufswagen, wo der Wind ihm nicht direkt in seine Nase wehte, rollte er sich zusammen. Noch hatte er Zeit. Im Laden würde kein Totenküsser sein Opfer überfallen - zu viele Zuschauer. Die Kreatur würde es zu einem ruhigen Ort hinauslocken. Er dachte an die Schwangere. Sie gehörte nicht zu den Metamorphen, das konnte er riechen. Da er aber eine Vision über den Angriff auf sie bekommen hatte, musste sie irgendeine Verbindung zu ihnen haben.
    Neben Kilian teilten sich zwei Männer ein Bier. Ihre Kleidung verströmte das unwiderstehliche Aroma von
ungewaschenen Körpern. Auf dem Parkplatz tobten drei Kinder - zwei Jungs und ein Mädchen mit glitzernden Haarspangen und einer Barbie-Puppe in der Hand. Einer der Jungs riss die Puppe an sich und schleuderte sie unter ein fahrendes Auto. Die Reifen plätteten den Plastikkörper. Das Mädchen heulte auf, als die Mutter der beiden Rabauken aus dem Laden kam. Sie drängte ihre Söhne ins Auto und ließ das schreiende Mädchen mit einem »Der Parkplatz ist kein Spielplatz!« stehen.
    Die Schwangere kam heraus. In einer Hand schwenkte sie eine Stofftasche, mit der anderen schob sie den Einkaufswagen vor sich her. Kilian spitzte die Ohren. Er konnte es spüren, der Totenküsser war bereits hier. Doch wer war es? Einer der trinkfreudigen Männer? Oder der junge Mann im roten Polohemd, der gerade den Laden verließ und in der Bäckerei daneben verschwand? Die Kreatur musste nicht sonderlich erfahren sein, wenn sie am helllichten Tag jagte, wo sie ihre Kräfte kaum nutzen

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