Schattenseelen Roman
zu suchen. Über ihrem Kopf erstreckte sich die Decke aus Spiegeln. Am anderen Ende des Raumes führten einige Stufen zu einem Whirlpool, der in den Boden eingelassen war. Wasser lief in die Wanne und schlug den fliederfarbenen Schaum auf, der einen Duft von Ylang-Ylang mit einer Prise Jasmin verströmte. Adrián dämmte das Halogenlicht und zündete ein paar Teelichter an, die auf der Fensterbank und um den Whirlpool herum aufgestellt waren.
»Ich fürchte, das ist das Beste, was so ein Romantik-Hinterwäldler
wie ich zustande bringen kann. Gefällt es dir?«
Sie schluckte hörbar, zu überrumpelt von diesem Anblick, und lachte nervös auf. »Also wirklich, liest du denn keine Frauenzeitschriften? Die Rosenblätter fehlen. Und jetzt sag nicht, du konntest so kurzfristig keine auftreiben. Mir zuliebe hättest du auch Marias Garten plündern können, das ist wohl nicht zu viel verlangt. Und wo ist die Musik? Wenigstens Kuschelrock oder so.«
Seine erschrockene Miene wich einem breiten Grinsen. »Ich würde dir gern etwas vorsummen.«
»Ne, lass mal. Brigitte und Cosmopolitan halten solche Foltermethoden bei einem romantischen Bad zu zweit für hinderlich.«
Sie sahen einander an. Der Anflug von Albernheit zerrann. Auf einmal wussten sie nicht, was sie sagen, was sie tun sollten. Wie seltsam. Manchmal einander so nah und plötzlich so fern.
Adrián fuhr ihr durch das Haar. »Du solltest es häufiger offen tragen. Es steht dir.«
Sie entzog sich ihm. »Warum bist du bei mir? Was … was willst du?«
Meinen Körper, wie so viele andere vor dir? Denn mehr kann ich dir nicht geben.
»Ich will dich lieben. Aber vor allem will ich, dass du dich selbst liebst. Kannst du das?«
Die Frage erschreckte sie. Nein, wollte sie rufen. »Ich weiß es nicht«, sagte sie stattdessen. Es war ja
auch egal. Er war bei ihr, sie konnte ihn haben. Hatte sie sich die ganze Zeit nicht gerade das gewünscht?
Evelyn zog ihn an sich heran und presste ihren Mund auf den seinen, ließ von ihm nur ab, um etwas Luft zu holen. Ihre Küsse bedeckten sein Gesicht und kehrten immer wieder zu seinen Lippen zurück, nagten und saugten an ihnen. Je mehr sie von ihm kostete, desto beschwingter wurde ihr Gemüt. Doch es stillte nicht ihre Gier, sondern entflammte ihre Lust nur noch stärker. Sie verlangte mehr, forderte ihr Recht auf jeden Zentimeter seines Körpers. Sie wollte brennen, zu Asche zerfallen und zusammen mit ihm auferstehen. Als ein Wesen. Bis in alle Ewigkeiten vereint.
So unsanft sie über ihn herfiel, so zärtlich und behutsam erwiderte er ihre Leidenschaft. Seine Hände fanden den Weg unter ihr T-Shirt. Evelyn legte den Kopf in den Nacken. Der Duft seines Körpers, vermischt mit Ylang-Ylang, kribbelte in ihrer Nase.
»Ich liebe dich«, hauchte Evelyn heiser. Sie hatte die Worte nie zu ihm sagen, das Gefühl nicht real werden lassen wollen, aber nun war es zu spät. Einige Herzschläge lang bangte sie in der Stille um die Antwort.
Seine Umarmung wurde fester. »Ich dich auch, mi vida .«
Sie schmunzelte in sich hinein, während ihr Herz Purzelbäume schlug, während sie kaum noch Luft bekam und sich doch so leicht wie noch nie zuvor fühlte. »Gar nicht mehr guapa ?«
»Dafür ist mir das zu ernst geworden.«
Mit der flachen Hand fuhr Adrián über ihren Bauch, streichelte mit den Fingerspitzen um ihren Nabel. Ein Wärmestrudel, den seine kreisenden Bewegungen in Gang setzten, zog sich tiefer in sie hinein und verschlang ihren Verstand. Wenn sich so das Totsein anfühlte, dann war sie gern tot. Wenn der Fluch bedeutete, die Ewigkeit mit ihm zu verbringen, dann war sie gerne verflucht. Bis ans Ende aller Zeiten.
Seine Finger strichen über die Innenseite ihrer Oberschenkel, glitten höher und schlüpften unter ihren eng sitzenden Slip. Alles zerbrach. Die Unbeschwertheit verwandelte sich plötzlich in eine Qual, zerrte an ihrer Seele und stampfte sie nieder. Evelyn spannte sich an, als würden ihre Muskeln zu Stein erstarren. Die Wärme, die durch ihr Inneres floss, wurde zu einem eisigen Strom. Sie blickte Adrián ins Gesicht und sah ein anderes vor sich: rund und blass, mit großen Tropfen Schweiß auf der Stirn und an der Nasenspitze. Ein ungeduldiges Keuchen, der säuerliche Atem. Nacht - feuchter Waldboden - zu viel Tequila - und Evy, die ein großes Mädchen sein wollte. Sie wich zurück auf die kalten Fliesen.
Es wird nicht anders sein. Es kann nicht anders sein. Jetzt tief Luft holen und es über sich ergehen lassen.
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