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Schattenseelen Roman

Schattenseelen Roman

Titel: Schattenseelen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga Krouk
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dem Lehrer! Ich kann nicht mit dir reden, wenn du mich nicht ernst nimmst.«
    »Okay, okay. Fahr fort. Ich bin ganz Ohr.«
    »Nach dem Tod und der Wiederkehr in diese Welt öffnet sich bei einem Nachzehrer das Âjnâ vollständig, und du kannst auf diese Weise mit den anderen deiner Art kommunizieren. Es ist ein wenig wie - du wirst gleich wieder lachen - beim Telefonieren.«
    »Warte kurz.« Evelyn kicherte und tippte mit dem Zeigefinger gegen die Stirn. »Da ruft mich grade jemand an.«
    Jetzt kicherte auch er. »Du bist unmöglich, weißt du das?«
    »Ja, klar. Erzähl weiter.«
    »Was ich meine: Du musst denjenigen kennen, also ihn mindestens einmal gesehen haben, bevor du mit ihm so sprechen kannst. Auf große Entfernungen funktioniert das schlechter als aus der Nähe. Und dein Kommunikationspartner muss diese Verbindung auch wollen, mit anderen Worten: rangehen. Du ahnst vielleicht, das alles braucht Übung. Im Moment kannst
du dein Âjnâ noch nicht kontrolliert schließen und öffnen, was mir hin und wieder erlaubt, deine Gedanken zu empfangen.«
    »Und normale Menschen sind für dich wie ein offenes Buch?«
    »Jein. Nur die wirklich intensiven Gedanken strömen dabei heraus. Es ist ein stetes Rauschen und ziemlich anstrengend. Grenzt fast an Reizüberflutung, wenn man das nicht ausblendet. Dabei gibt es Menschen, die ihre Gedanken etwas besser verbergen, bei den anderen klappt das weniger. Das Band zwischen uns zum Beispiel verstärkt die Wahrnehmung ungemein.«
    »Und wie funktioniert dieses Empfangen genau?« »Um jemanden zu rufen, musst du dich auf den Ausgangspunkt konzentrieren, deine Energie dorthin schicken. Aber Vorsicht: Unter Umständen könnte man mehr von deinen Gedanken lesen, als dir lieb ist. Telepathie ist eine …« Er räusperte sich. »… sehr intime Angelegenheit und mit Vorsicht zu genießen. Wir gebrauchen sie eigentlich nicht oft. Und um dich vor der Kontaktaufnahme zu verschließen, stell dir am besten eine Wand um dich herum vor, schotte dich vor der Welt ab. Mit etwas Übung bekommst du mehr Gespür dafür.«
    »Wo befindet sich der Ausgangspunkt?«
    Adrián legte die Finger auf ihre Stirn oberhalb der Nasenwurzel, direkt zwischen ihre Augenbrauen. »Hier.«

    Er wollte die Hand zurückziehen, doch Evelyn ergriff seinen Arm und hinderte ihn daran. Sie sah ihm in die Augen und fragte sich, was sie bei diesem toten Mann fand, das die Lebenden ihr nie zu geben imstande gewesen waren. Es war merkwürdig, eine wandelnde Leiche zu lieben.
    »Abartig ist das passendere Wort dafür«, neckte Adrián sie, der natürlich ihre Gedanken gelesen hatte, so eindringlich wie diese waren.
    Evelyn errötete und stellte sich rasch eine Wand vor. Ziegelsteine unter dem Putz, etwas Graffiti wie in Hamburgs Schanzen-Viertel.
    Sie liebte ihn, aber empfand er dasselbe für sie? Wo endete der Bann zwischen ihnen, und wo fingen die echten Gefühle an?
    »Du solltest dich ein wenig ausruhen«, schlug Adrián vor, der die Ausgrenzung gespürt haben musste.
    Sobald das Gespräch erstarb und die Ausgelassenheit sich verflog, kehrten die Schreckensbilder zurück. Instinktiv griff Evelyn nach ihrem Messer. Als ob man die Schatten erstechen könnte!
    »Die Nacht ist fast vorbei, ausruhen lohnt sich nicht mehr«, murmelte sie in der Erwartung, sogleich den schwarzen Nebel zu sehen. Sei wachsam, mahnte sie sich. Und fürchte dich vor den Schatten.
    »Du kannst hier nicht ewig sitzen«, sagte er.
    »Und ob ich das kann.«
    »Verstehe.« Er nickte zögernd. Einen Moment schien er zu überlegen, bis er abrupt aufstand und ging, ohne
ein weiteres Wort zu verlieren. Er ging einfach so weg, ließ sie allein zurück! Bestürzt schaute Evelyn ihm hinterher, wollte ihm etwas nachrufen, aber ihr Stolz erlaubte es ihr nicht. Sie zog die Beine an. Zum ersten Mal fühlte sie sich tot. Und vor allem: verlassen.
    Evelyn hörte nicht, wie er zurückkam, und erst als Adrián sie auf die Arme nahm und hochhob, wurde sie sich seiner Gegenwart bewusst.
    »Was tust du da?«, japste sie. Ihr Khukuri klimperte auf den Boden. »Mein Messer!«
    »Du brauchst es nicht. Außer du hast vor, meine Eingeweide zu studieren. Allerdings ist das kein allzu ästhetischer Anblick.«
    »Lass mich runter, hörst du?«
    Ungeachtet ihres Protestes trug er sie aus dem Wohnzimmer die Treppe hoch. Kaum eine Minute später gelangten sie ins Bad. Erst hier ließ er sie frei.
    Der kalte Marmor unter ihren Füßen zwang sie, Zuflucht auf der flauschigen Matte

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