Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenseelen Roman

Schattenseelen Roman

Titel: Schattenseelen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga Krouk
Vom Netzwerk:
unfähig, sich dagegen zu wehren. Dein Duft bringt ihn um den Verstand, und sein Schicksal ist damit besiegelt. Warst du verliebt oder fandest einen Mann interessant, als er dich im Krankenhaus gewittert hat? Du musst unbewusst den Paarungsduft verströmt haben. Es war Kilian unmöglich, ihm zu widerstehen.«
    »Paarungsduft! Na, das ist an Romantik nicht zu übertreffen.«
    »In unserer Gesellschaft gibt es keine Romantik. Das können wir uns einfach nicht leisten. Wir wählen unsere Partner nach anderen Eigenschaften, dafür aber fürs Leben. Auf jeden Fall hatte Kilian Recht, du trägst Königin-Gene in dir.«
    »Hatte er auch Recht damit, dass du mich deswegen umbringen willst?«

    Sie lachte melodisch wie ein Windspiel. »Aber nein. Ich beschütze dich. Das habe ich doch schon immer getan.«
    Jetzt war es Evelyn, die lachte, allerdings bei weitem weniger melodisch. »Du hast mich auf den Müll geworfen, sobald ich geboren wurde! Das ist nicht gerade die Art von Schutz, die ich mir so vorstelle.« Unbemerkt ging sie zum ›Du‹ über.
    Linnea machte eine Geste zur Couch. »Setz dich, und ich erzähle dir alles.«
    »Nein danke.« Evelyn bevorzugte, bei den Messern zu bleiben.
    »Wie du meinst.« Als die Schlangenfrau sich dem Sofa zuwandte, zog Evelyn eines der Messer aus dem Block und versteckte es hinter dem Rücken. Fest umklammerte sie den Plastikgriff, was ihr Sicherheit gab.
    Linnea nahm den Platz ein, graziös und in betont aufrechter Haltung wie eine wahrhaftige Königin. »Ich verlange keine Vergebung von dir, hoffe aber auf dein Verständnis.«
    »Wenn es weiter nichts ist.«
    »Hör mich wenigstens an.« Sie senkte den Kopf, und ihre Haarsträhnen verdeckten ihr Gesicht. »Lange ist es schon her. Ich war fünfzehn und ohne ein Seelentier. Meine Mutter hatte bereits die Hoffnung aufgegeben, mich als einen vollwertigen Metamorph in die Gemeinschaft einzuführen und auszubilden. Jeden Monat brachte sie einen anderen Mann nach Hause, der sein Bestes tat, um mit ihr ein neues Kind
zu zeugen. Ein Kind, das kein Versager wird. Es waren so viele Männer, dass sie mir bald wie ein einziger vorkamen, gesicht- und gestaltlos. Sie starben für ihre Pflicht, aber ihre Anstrengungen brachten keinen Erfolg.«
    Evelyn bemühte sich um eine gleichgültige Miene. In ihrem Inneren dagegen kämpften widersprüchliche Gefühle: Hass, Verzweiflung, Trauer.
    »Meine Mutter sah in mir ein schlechtes Omen und ließ nichts unversucht, um es mir zu zeigen. Normalerweise werden die Anwärter mit einundzwanzig aus der Gemeinschaft verstoßen, da gibt es meistens keine Hoffnung mehr, das Seelentier zu finden. Ich wurde mit sechzehn verbannt und ab da von einem Internat ins andere geschoben. Ich verlor mein Zuhause, meine Identität, und Menschen um mich herum sahen in mir nur einen Freak, der versucht, mit Tieren zu sprechen. Schließlich landete ich in Hamburg.«
    »Mein Mitleid hält sich in Grenzen«, murrte Evelyn.
    Linnea lugte unter ihrem Haarschleier hervor. Stolz loderte in ihren Augen. »Mitleid brauche ich nicht. Hör mir zu und entscheide dann, was du von mir hältst.« Sie fuhr fort: »An diesem Tag regnete es stark. Dennoch verharrte ich stundenlang vor dem Schaufenster eines Zoogeschäfts. Irgendetwas zog mich immer wieder hin, ein Ruf, der meine Knochen zum Vibrieren brachte. Ich beobachtete die Tiere in den Käfigen und fragte mich, ob eines von ihnen zu mir gehörte. Da kamen diese zwei Typen vorbei. ›Kröten-Flüsterin!‹, riefen sie und
warfen Dreck nach mir. Meine Geduld platzte, und gegen jegliche Vernunft fiel ich über sie her, schlug mit Fäusten auf sie ein. Die beiden waren natürlich stärker. Sie traten mich mit ihren Stahlkappenboots auch dann noch, als ich auf dem Boden lag. Ich schluckte das Regenwasser, das in Strömen den Asphalt entlangfloss, und bettelte um Gnade. Aus dem Geschäft gegenüber lief ein junger Mann heraus, vielleicht nur fünf Jahre älter als ich. Die beiden werden ihn halbtot prügeln, dachte ich mit Schrecken, aber es gelang ihm, sie zu vertreiben. Die Typen flohen, ich blieb einfach nur liegen und wollte sterben. Der Unbekannte half mir hoch. Ich erbrach Blut auf seine Hose, trotzdem ließ er mich nicht zurück und schleppte mich in seinen Laden. Mehrfach verlor ich das Bewusstsein. Alles schwirrte in meinem Kopf, die Realität vermischte sich mit meinem Delirium. Er stellte keine Fragen, drängte nicht. Dafür war ich ihm dankbar. Seit diesem Tag versuchte ich immer, wenn

Weitere Kostenlose Bücher